In den Siebzigern war dieses Duo bei Rockfans als Schmusekombo verschrien und die Musik taugte in deren Augen nur dazu, der Angehimmelten bei Partys tänzerisch näher zu kommen. Das gipfelte im später erschienenen „Bridge over troubled water“ und ich erinnere mich besonders an einen Tanz (wenn man das überhaupt als Tanz bezeichnen darf) mit einer Schülerin, welche in unserer Schule von den Jungs gemieden wurde, weil sie mit einem überirdischen IQ ausgestattet war, aber als schroff und unzugänglich galt, was mich jedoch nie davon abhielt mit ihr zu quatschen.
Beim Tanzen fasste sie sich weich und warm an und wir knutschten sogar vor den offen stehenden Mündern der restlichen Anwesenden.
Sie schrieb natürlich nur Bestnoten; in allen Fächern. Falls Du das liest: Du warst für mich 4 Minuten und 55 Sekunden lang meine Bridge over troubled Water; die Intelligenzbestie, die jeder außer mir scheute und ich danke Dir, dass Du Dich mit einem solch grottigen Schüler wie mir abgegeben hast. Ich habe erfahren, dass Du später Theologie studiertest und Priesterin geworden bist (oder das zumindest wolltest). In der Retrospektive betrachtet, wärst Du die perfekte Bundeskanzlerin…..
Schon das Simon + Garfunkel Debut „Wednesday Morning…“ von 1964 ist ein akustischer und musikalischer Leckerbissen (mit einer frühen Version von „Sounds of Silence“ nur mit Akustikgitarre und Gesang ohne den späteren Pomp auf der gleichnamigen LP die 1966 erschien). 1966 wurde auch „Parsley, Sage….“ veröffentlicht. „Scarborough Fair“ und „Dangling Conversation“ sollten Sie sich mal auf einer Columbia 2-eye (oder einer englischen CBS Orange Label anhören), diese Songs klingen fantastisch und es stecken so viele kleine Details darin, dass es immer etwas Neues zu entdecken gibt, sei es im Harmoniegesang (Scarborough) oder bei einer sanft geschlagenen Pauke ganz hinten links (Dangling) wenn der Chorus kommt.
Mein Top-Favorit jedoch ist „Bookends“. Sträflich unterschätzt, aber für mich das beste S+G Album. Spielen Sie „Punky’s Dilemma“ an…..….dieser kraftvolle, weiche akustische Bass auf dem rechten Kanal ist überirdisch aufgenommen, oder die Sequenz, in der eine Tür zugeschlagen wird….man blickt unwillkürlich zur Zimmertür; dermaßen realistisch kommt das aus den Boxen. Und zu Allem noch wirklich gute und teilweise witzige Texte (…wish I was an english cornflake….). Diese LP ist ein Muss für jeden ambitionierten Hifi-Fan und Musikliebhaber. Ach ja, „Mrs.Robinson“ ist auch drauf (das diente als Titelmusik im Film Graduate mit Dustin Hofmann im schönen Alfa-Spider).
Simon + Garfunkel - Bookends
Columbia 2-eye KCS 9529 - Stamper Matrixes: XSM118887-1AA, XSM 118888-1A
USA 1968
In den frühen Siebzigern war ich oft mit einem „Kumpel“ aus unserem Kaff unterwegs, der sich Freundschaften erkaufte. Seine Eltern hatten keinen Bock, sich um den Sprössling zu kümmern, aber jede Menge Geld, mit welchem sie den Jungen als Ersatzerziehungsmaßnahme regelrecht vollstopften. Er aß gerne und viel. Alleine die Gesellschaft fehlte ihm dabei, weshalb er ständig an mir herumwienerte, ich solle die Schule schwänzen, was sich sehr lohnen würde, da ich mir irgendetwas aussuchen dürfe, was mir gerade in den Sinn käme.
Unsere sehr bescheidenen finanziellen Verhältnisse Zuhause waren das krasse Gegenteil und so erlag ich einige Male den Verlockungen. Mein „Kumpel“ konnte sich schwer konzentrieren, geschweige denn genießen, da er nach der Devise „Schneller, Weiter, Höher“ durch sein junges Leben pflügte. Meine ureigene Währung waren immer Schallplatten. Ich hatte keine großartigen Wünsche, außer vielleicht ein wenig mehr Platz im Zimmer und eine gescheite Musikanlage; das war aber nicht dringend. So nahm ich als Geschenk eine Single an. Sie hatte das schöne pinkfarbene Label der Firma Island. „Free – All right now“ stand darauf. Ich spielte sie so oft, dass ich den Titel beinahe rückwärts singen konnte.
Mein Gönner konnte damit weniger anfangen. Das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm und eines Tages war er mit seinem Moped auf einem Feldweg unterwegs. Aus der anderen Richtung näherte sich ein Traktor mit Anhänger und er musste sein Zweirad an den Rand des Weges steuern, um den Traktor passieren zu lassen. Es hatte am Tag zuvor heftig geregnet und der Untergrund war noch matschig. Das Hinterrad rutschte ein Stück ab und es kam zum Sturz. Der Junge fiel unter den Anhänger und ein Hinterrad überrollte seinen Kopf. Der unter Schock stehende Traktorfahrer berichtete später, dass er nichts für das blutüberströmte Opfer tun konnte und schilderte, wie nach wenigen Minuten die Zuckungen des Körpers verebbten. Außer den Kirchgängern, die immer da waren, sah ich auf der Beerdigung nicht viele Leute. Seine Eltern schienen gebrochen und ein paar Jahre später ließen sie sich scheiden. Ich denke immer an diese schrecklichen Ereignisse, wenn ich „All right now“ höre, auch heute noch.
Die Bandgeschichte vor der Veröffentlichung des Titels jedoch holte ich damals sehr bald nach.
Das erste Free-Album “Tons of Sobs” war rau, laut und wild. Die englische Erstpressung auf dem pinkfarbenen Island Label (Pink Island „Eye“) klingt einigermaßen gut, ist aber extrem teuer – die 2.Pressung ist praktisch ebenbürtig und auch die Pink Island Palm macht noch gehörigen Spaß. Als Paul Rodgers, Paul Kossoff, Andy Fraser und Simon Kirke von Island unter Vertrag genommen wurden, wollte ihnen die Plattenfirma (Chris Blackwell) aus marketingtechnischen Gründen den Namen „Heavy Boys“ verpassen. Die Jungs im Alter zwischen 16 und 19 Jahren blieben aber stur und nahmen den Vorschlag von Alexis Korner an, sich „Free“ zu nennen. Als Gitarrist war sogar ein gewisser Jimi Hendrix im Gespräch, den sich jedoch Polydor in England schnappte und dessen LP’s dann fortan auf dem Sublabel Track veröffentlicht wurden. Das hier vorgestellte zweite Album „Free“ enthält auch leisere Töne und ist fantastisch aufgenommen. Es gibt 2 Versionen auf dem pinkfarbenen Label und die frühere Pressung erkennt man an der rauen Labeloberfläche (rough textured label). Das Programm bietet Bluesrock vom Feinsten und die LP ist von vorne bis hinten sehr gut durchhörbar. Mit dem 3.Album „Fire and Water“ kam dann für Free der Durchbruch dank des Megahits „All right now“, klanglich jedoch ist die Scheibe eine große Enttäuschung.
Free – Free
Island Pink Label ILPS-9104 - Stamper Matrixes: 1A/1B
England 1969
Nachdem das Magazin „The Absolute Sound“ den Hype um die alten RCA- und Mercury-Titel startete, explodierten die Preise für die guten Exemplare förmlich. Das lockte viele Geschäftemacher an, in den USA und auch England. In Manhattan gab es einen gewissen H.G., der in seiner Wohnung die Ernte seiner Beutezüge bei Witwen aus der näheren Umgebung stapelte. Todesanzeigen waren sein Kapital und er verstand es meisterlich, in unsäglich schmierigem Ton Kondolenzbekundungen durch das Telefon zu hauchen und sich so Nachlässe für Spottpreise einzuverleiben. Die 08/15-Titel schmiss er weg, die anderen säuberte er und packte sie in eine Plastikhülle; sozusagen verkaufsfertig aufgemöbelt. Er brachte es fertig, selbst die 10-Cent-Victrolas als Schätzchen zu deklarieren und etliche Jäger des heiligen Grals gingen ihm auf den Leim. Mr.H. liebte Bares und genoss bald in seiner jüdischen Gemeinde das Ansehen eines tüchtigen Geschäftsmannes, der nebenbei auch noch die angebliche amerikanische Kultur vor dem Vergessen rettet. Welch eine Ironie das doch war – das Chicago Symphony Orchestra beispielsweise wurde von Fritz Reiner geleitet und die Majorität des Programms bei der RCA (und auch Mercury) entsprang dem Geist Europäischer und Russischer Komponisten.
Ich war oft bei Mr.H., um zu schauen, ob es etwas für mich gibt und bei mir hat er – natürlich groß zelebriert – Ausnahmen gemacht, was die Preisgestaltung betrifft. Immerhin hatte er mich mit Mailorders wochenlang vorher schon abgezockt. Es gab sogar kostenlose Drinks, Chapeau! Sein Meisterstück – wie er es nannte – war der Verkauf einer LDS-6065 nach Japan für die unglaubliche Summe von US $ 4.000,00 – ich hatte das Doppelalbum auch schon ein paar Male bei mir, aber keines war in noch wirklich gutem Zustand. Bezahlt hatte ich natürlich erheblich weniger, aber selbst das war noch zu viel. Ich kann mich noch an einen Kauf erinnern, im 3.Stock eines Hinterhofes der typisch grautristen Häuser irgendwo auf der Manhattan East Side. Tausende von Schallplatten waren da gehortet, das abstruseste Zeugs war dabei, als ginge es dem Eigentümer des Ladens um Masse statt Klasse. Zur Vorführung hatte er einen Billigdreher an einem kleinen Transistorverstärker, der uralte Quad-Elektrostaten befeuerte, was gelinde gesagt grottig klang. Später kam ich dahinter, dass es reines Kalkül war – denn diese „Anlage“ verschluckte so ziemlich alles an Details, insbesondere kleinere Kratzer oder Verzerrungen. Er wollte den stolzen Preis von US $ 300,00 von mir für sein reichlich verstaubtes Exemplar der LDS-6065 und nach kurzem Handeln gab ich ihm US $ 200,00. Später, nachdem ich die Platten sorgfältig gewaschen hatte, konnte ich hören, dass zumindest die 1.Seite irgendwann mit einem defekten Tonabnehmer abgehobelt wurde, da die Rillenflanken mehr als nur angegriffen waren. Es ist wie mit den seltenen Blue Note LP’s: der Zustand spielt für hartgesottene Sammler nur eine untergeordnete Rolle. Ich weiß nicht mehr wann ich meine Exemplare der LDS-6065 wem gab, die am besten erhaltene jedoch verkaufte ich auf einer Auktionsplattform an einen Sammler aus Korea. Die letzte Stunde vor Ablauf der Auktion ließ mich staunen, da die Gebote immer höher kletterten. Am Ende stand da deine 4-stellige Summe, die ich gleich in LP’s umrechnete, die ich unbedingt noch kaufen wollte.
Das Original erschien in der Stereo-Version als Doppelalbum im Jahr 1959. Selbst für Exemplare in mäßigem Zustand werden – wie erwähnt - Unsummen bezahlt. Es gibt von Classic Records ein Re-Issue als Doppelalbum, welches noch einigermaßen bezahlbar ist und schon besser klingt als die Original US-Erstpressung („Shaded Dog“-Label). Und es gab vorher ein Re-Issue von ALTO welches ebenfalls klanglich passt. Die hier gezeigte Veröffentlichung aus dem Jahr 2016 ist von Analogue Productions (gemastert von Bernie Grundman) und die ist nach wie vor erhältlich. In der Zwischenzeit (vor einigen Jahren) wurde eine Box mit 9 einseitig geschnittenen LP’s nachgeschoben, die das Ganze noch toppt. Die LP’s spielen mit 45 Umdrehungen pro Minute, was der Rille viel Platz für Auslenkungen gewährt und so die Dynamik erhöht. Es gibt 2 Ausgaben; eine schwarze und eine rote Box – die Schwarze ist die frühere. Preislich sind aber beide Boxen sehr abgehoben. Mit der Analogue Productions Ausgabe machen Sie nichts falsch.
Musikalisch haben wir es hier mit den schönsten Auszügen aus diversen Balletten zu tun. Allen voran Tchaikovsky mit dem Nusskacker, Schwanensee und Dornröschen. Ansermet hatte ein Händchen beim Dirigat dieser Musik und das Orchester gehörte schon damals zu den Vorzeige-Ensembles. Alle Instrumente sind bis in den letzten Winkel des Orchestersaals detailliert zu verfolgen, die Plastizität ist exemplarisch, die Streicher butterweich und der Hall sehr natürlich. Es ist eine der ganz großen Aufnahmen klassischer Musik. Zum Saal des Royal Opera House of Covent Garden gibt es eine heitere Anekdote. Unter dem Saal befand sich lange Jahre ein Kostümverleih und darunter wiederum die U-Bahn. Als der Kostümverleiher sein Geschäft aufgeben und die Räumlichkeiten räumen musste, war praktisch die Geräuschdämmung mit verschwunden; man konnte im Saal die U-Bahn rumpeln hören. Es wurde überliefert, dass manche Dirigenten z.B. einen Parforce-Ritt durch Overtüren an den Tag legten, um bei Aufnahmen dem Rumpeln zu entgehen. Es heißt sogar, dass alles nach dem Fahrplan der U-Bahn abgestimmt wurde, so z.B. ein RCA-Album mit dem Namen „Venice“. Dirigent war Sir Georg Solti und wenn man aufmerksam zuhört, erkennt man in der Diktion eine gewisse Eile, geschafft hat er es aber dennoch nicht; auf „Venice“ rumpelt am Ende einer der Overtüren die U-Bahn. Seinerzeit war das Geld knapp und Aufnahmen entstanden quasi aus einem Guss live, weil eine erneute Saalmiete das Budget gesprengt hätte. Das Orchester spielte jeweils den leisesten und den lautesten Teil einer Partitur; die Tontechniker justierten die Bandmaschinen und ließen diese dann durchlaufen. LDS-6065 ist frei von U-Bahn-Geräuschen. Wenn Ihre Geldbörse es zulässt, halten Sie nach der schwarzen oder roten 9-LP-Box Ausschau. Muss aber nicht sein, wie bereits erwähnt. Auch für Menschen, die wenig mit klassischer Musik anfangen können, ist die Aufnahme ein Genuss.
The Royal Ballet Gala Performances – Ernest Ansermet and the ROHCG
APC 6065 – Re-Issue von Analogue Productions
USA 2016
Die Fans der ersten Stunde dieser Band waren etwas ratlos, als „The lamb…“ veröffentlicht wurde. Nursery Cryme, Trespass, Foxtrot und in weiten Teilen auch Selling England by the pound zeigten die Mannen um Peter Gabriel im Gewand einer Artrock-Band mit einer sehr speziellen Mischung aus Theatralik, langen Songs und Chamäleon-artigen Wendungen, die auf Dauer anstrengend wirken konnten. „The Lamb….“ hat bis auf Stücke wie „The Lamia“ keine Überlängen in einzelnen Tracks und kommt im weitesten Sinne als Konzeptalbum daher.
Ich hatte das Glück, die Band live zu erleben, kurz bevor Gabriel ging – die komplette „The Lamb lies down….“ Und – ich glaube mich zu erinnern - „The Musical Box“ als Zugabe. Von den Kapriolen Gabriels einmal abgesehen hatte mich Phil Collins am meisten gepackt. Das war wirklich ein Super-Drummer.
Die Geschichte des Hauptprotagonisten Rael als pittoreskes Erzählstück entsprang textlich (und in weiten Teilen auch musikalisch) der Feder von Peter Gabriel. Setzt man sich mit dem Werk auseinander, kann man nur den Kopf darüber schütteln, dass ein Bob Dylan den Nobelpreis für Literatur erhält, obwohl keiner seiner Texte auch nur annähernd an eine solch abgedrehte und lyrisch komplexe Arbeit wie „The lamb…“ herankommt. Sagt man Edgar Allen Poe nach, er habe seine Arbeiten entweder im Vollrausch oder von Drogen umnebelt zu Papier gebracht, müsste das für Gabriel doppelt gelten. Wenn er davon singt, dass er sich, durch eine Staubkruste unbeweglich gemacht, wie eine Fliege fühlt, die in der Nähe der Autobahn auf die nächste Windschutzscheibe wartet oder die Schlangen im Pool weibliche Gesichter haben und von seinem Fleisch kosten wollen, bis sie sich mit verzerrter Mine abwenden, wobei Rael sich in poetischer Selbstdiagnose übt und sinniert: „Is it the scent of garlic that lingers on my chocolate fingers?“ Es gibt unzählige Stellen die Erwähnung verdienten. Dieses Doppelalbum ist für mich eines der textlich sehr weit herausragenden Werke der letzten 40 Jahre.
Kommen wir zum Klang: alle Pressungen dir mir zu eigen waren tönten mittelmäßig bis flach. Natürlich war da die deutsche Erstausgabe, einige englische Exemplare, sogar mit der ATCO-Veröffentlichung aus den USA habe ich es versucht. Die LP’s sind alle mehr oder minder o.k., aber eben klanglich nichts Besonderes. Und dann fiel mir eine wirklich frühe englische Pressung in die Hände. Ich will nicht auf die verschiedenen Kleinigkeiten eingehen, die alle mit dem Label zu tun haben – es sind alles so genannte „Mad Hatter“ Ausgaben (siehe Bild) – die Auslaufrille ist entscheidend. Hier hatte erneut der Genius Peckham die Hand im Spiel, aber man muss sehr vorsichtig sein, denn es gibt eine Pressung, die in der Auslaufrille die Information „A Porky Primecut“ trägt – die ist nicht viel besser als die vorher genannten Exemplare. Die wirklich einzig wahre Pressung hat die oben genannten Angaben im Dead Wax - und nur diese (!) klingt hervorragend, nur diese hat Rutherfords abgrundtiefen und rabenschwarzen Bass, nur mit dieser löst sich der Klang richtig von den Boxen. Nachdem Gabriel im 2.Stück auf Seite 1 („Fly on a windshield“) den Satz mit den Worten beendet: „…and I am hovering like a fly, waiting for the windshield on a freeway…“ bricht die Band los. Der Bass füllt den Raum, der Klang geht weit nach rechts und links über die Boxen hinaus und Collins’ Schlagzeug treibt an, klingt fett und fordernd. Es ist einer der vielen großen Momente auf diesem Album. Wenn „The lamb….“ bislang nicht unbedingt zu Ihren Favoriten gehörte, gönnen Sie sich die englische Erstpressung und sie konvertieren. Nach diesem Album wandelte Gabriel auf Solo-Pfaden und hat einige grandiose LP’s aufgenommen, Collins wurde zum kommerziellen Megastar, spielte aber nebenbei noch die Drums bei Brand X, Rutherford hatte Mike and the Mechanics und nachdem Steve Hackett mehr oder minder abgeschoben wurde (And then there were three…) folgten noch ein paar Genesis-Scheiben, die durchaus hörenswert sind, allerdings gibt es auch Werke, über die man musikalisch betrachtet besser den Mantel des Schweigens hüllt. Auch empfehlenswert ist das Live-Album „Seconds Out“ als frühe englische Pressung.
Genesis – The lamb lies down on Broadway
Charisma Mad Hatter Label CGS 101 - Stamper Matrixes: Side A: A-2U PORKY X JOHNNIE, Side B: B-2U PECKO, Side C: A-2U PECKO, Side D: B-2U PORKY
England 1974
Nach einer bizarren Dienstreise in eines der Länder Mittelamerikas, welches zu jener Zeit durch militärische Krisen ging, musste ich für eine Zeit lang im nicht weit vom Brennpunkt entfernten Florida verweilen, bevor ich nach Europa zurückreisen konnte. Das hatte politische Gründe, die ich hier nicht näher erläutern möchte.
Jedenfalls bewegt sich in diesen südlichen Staaten der USA alles etwas langsamer als anderswo, was zum guten Teil den Temperaturen geschuldet sein mag. In einer Stadt etwas nördlich von Fort Lauderdale war ich bald Gast bei Leuten, die ihr Arbeitsleben schon hinter sich hatten - und dies im Alter von knapp 35 Jahren. Ich wollte nie zu viele Details wissen, zumal man kolportierte, dass man in dieser Stadt bedenkenlos sein Auto unverschlossen abstellen kann, weil das Zusammenleben dem einer großen Familie sehr nahekommt und Taten wie Diebstähle oder Überfälle quasi ausgestorben waren, seit gewisse Menschen dort sesshaft wurden.
Wie dem auch sei; man bat mich irgendwann zu überlegen, ob ich mich nicht dort niederlassen wolle. Plattenläden gab es zuhauf, Geld war genügend da, Autos sowieso und Alkohol, jede Menge Alkohol. Am Abend eines weiteren nutzlosen Tages, sah ich in die gelangweilten Gesichter der Leute, deren einziger Stress es war, die Lieferanten zu scheuchen, damit auch alles zum täglichen Barbecue geliefert wurde und die Party so verlief, wie tausende Male zuvor. Jemand hatte im Wohnzimmer eine Platte aufgelegt und der Sound drang durch die weit geöffneten Verandatüren zu uns herüber. „Hey, there people I'm Bobby Brown, They say I'm the cutest boy in town! My car is fast, my teeth are shiny, I tell all the girls they can kiss my ….” Ich wusste in diesem Moment, dass ich bald abreisen würde. Hätte ich es nicht in die Tat umgesetzt, wäre ich jetzt einer der pseudo-intellektuellen Barbecue-, Alkohol- und Swimmingpool-Zombies mit fragwürdigen politischen Kontakten, der, von heiratswütigen oder auch ehebruchwilligen Barbiepuppen umgarnt, Richtung Lebensende vor sich hindämmert.
„Sheik Yerbouti“ ist eines der späteren Werke Zappa’s, dem Enfant Terrible der Rock-Musik. Das Doppelalbum enthält den textlich anstößigen Song „Bobby Brown“ der natürlich in den USA sofort auf dem Index landete, aber gerade deshalb große Popularität erlangte. Die Musik ist größtenteils starker Tobak und wer Zappa nicht so ganz im Ohr hat, muss sich durcharbeiten. Es lohnt sich. Da dieses Werk insbesondere wegen der manisch sexistischen Texte sehr polarisiert, beschränke ich mich auf die klanglichen Meriten bei der Beschreibung.
Warum nicht das US-Original auf Zappa-Records mögen Sie jetzt denken? Der Grund liegt in der Tatsache, dass es sich bei der hier beschriebenen Holland-Pressung um ein Half-Speed-Mastering handelt. Das ist weitestgehend unbekannt, weshalb es das Doppelalbum noch für relativ wenig Geld gibt. Bei der Half-Speed-Technik wird die Masterfolie mit halber Geschwindigkeit geschnitten, was bewirkt, dass der Schneidstichel seiner Arbeit wesentlich akkurater nachkommen kann. Cutting Engineer war zudem der begnadete Bob Ludwig. Und das hört man. Jede der 4 Albumseiten hat Momente großartiger Aufnahmetechnik, aber das erste Stück auf der 4.Seite „Wild Love“ ist atemberaubend. Eine solche Dynamik trauen viele Menschen der guten alten Vinyl-LP nicht zu. Der Klang kommt mit Druck, Detailreichtum, kongenial eingefangener Percussion-Arbeit von Terry Bozio und Ed Mann und Keyboard-Kapriolen, die schlicht aberwitzig sind. Wen das kalt lässt, den wird der Klangbazillus in diesem Leben nicht mehr befallen.
Frank Zappa – Sheik Yerbouti
CBS 88339
Holland 1979 – Stamper Matrixes: A-1, B-1, C-1, D-1 MASTERDISK
Auf der US-Pressung ziert ein eingefärbtes Porträt des Helden Hendrix das Cover, weil das Original-UK-Cover nackte Damen zeigt. Im vermeintlich prüden Amerika ging/geht das natürlich überhaupt nicht.
„Hey Joe“ und das Bob Dylan-Cover „All along the watchtower“ dürften wohl die bekanntesten „Hits“ des Meisters sein; letzterer ist auf „Electric Ladyland“ zu finden, „Hey Joe“ lediglich auf der US-Ausgabe des Debutalbums. „Electric Ladyland“ erschien 2 Monate nach Woodstock, wo Hendrix auch als letzter Act auftrat, was er sich schriftlich zusichern ließ – bekanntermaßen ging das nach Hinten los, weil gegen 8.30 Uhr früh bereits fast alle Besucher schon auf dem Heimweg waren und deshalb nur knapp 30000 der ehemals 500000 Gäste mitbekamen, wie Hendrix das unsägliche „Star-Spangled Banner“ zum Besten gab. Mein Opa hätte gesagt: „wenn es schön macht….“.
Den Hippies jedoch gefiel dieser Nonkonformismus, weil sie nicht ahnten, dass es quasi die Hymne zum Schwanengesang ihrer Bewegung war. Ich denke, wenn sich heute Menschen im Dreck suhlen und stundenlang vor Dixie-Klos warten wollen (die es bei Woodstock nicht gab), sollten Sie Tickets für „Wacken“ kaufen. Dort wird nach dem Vorbild Woodstock auch so allerlei konsumiert, was die Musik fast zur Nebensache macht. Das liest sich vielleicht bösartiger als es gemeint ist und ich will sicherlich nicht an Ikonen rütteln, die mit reichlich Verklärung der wirklichen Umstände seit Jahrzehnten in vielen Köpfen Bestand haben. Das Triple-Album Woodstock und auch Woodstock 2 habe ich in meinem Fundus und beide Alben sind heiße Anwärter auf den Titel „grottigster Klang“ und „hoher Anteil musikalischen Ausschusses“. Das war meist nicht die Schuld der Bands; die Organisatoren des Spektakels waren Dilettanten und die Künstler hatten nicht einmal Gelegenheit zum Soundcheck – gönnen Sie sich beispielsweise mal die „Freude“ den Song „Going up the country“ von Canned Heat anzuhören; da kräuselt sich alles, was nicht vorher in Deckung gebracht wurde. Oder die völlig betrunkene Janis Joplin, oder, oder…..
Natürlich ist „Electric Ladyland“ einer der Meilensteine der Rockgeschichte. Das Doppelalbum klingt nicht durchgehend audiophil, aber die wirklich gut klingenden Stücke sind ein Genuss. Das Hendrix Debut-Album „Are you experienenced“ auf dem UK Track-Label beispielsweise tönt grauenhaft, die US-Reprise Pressung ist da erheblich besser. „Axis Bold as Love“ (das 2.Album) klingt annehmbar, aber „Electric Ladyland“ war die Spielwiese für Hendrix, der bis zur Erschöpfung mit Sounds experimentierte, Sachen verwarf, neu aufnahm und abmischen ließ, bis er einigermaßen zufrieden war. Es gibt hier und da Phasendrehungen, die dem Zuhörer suggerieren, es geschehe beim Hören etwas hinter ihm, was natürlich reine Spielerei ist, aber dem künstlerischen Ausdruck dient. Die Klangaura, die sich schon zu Beginn von „Voodoo Child“ aufbaut und weiter steigert, macht süchtig. Drums, Bass, Gitarre und Orgel (gespielt vom blutjungen Steve Winwood) kommen klar und prägnant, mit Druck und Drive. Es ist ein wenig der Endsechziger-Jahre Sound, was aber an den technischen Möglichkeiten lag und nicht an Eddie Kramer, dem Toningenieur. Heute würde man diese Musik etwas polierter, zurückgenommener produzieren. Das Direkte aber macht den Reiz dieses Albums aus. Es fehlt nichts, ich vermisse nichts. Ich habe die – leider sehr teure - englische Erstpressung, eine spätere Pressung und auch das US-Original auf dem Reprise-Label, aber nur die englische Erstpressung stellt klanglich weitestgehend zufrieden. Falls Sie eine zum erträglichen Preis finden, schlagen Sie zu.
Jimi Hendrix – Electric Ladyland
Track 613008/613009
England 1968 – Stamper Matrixes: A//1, B//1, A//1, B 1
NUDE COVER, blaue Schrift Innenseite Klappcover
Dieses Doppelalbum führte lange Zeit ein Schattendasein in meiner Sammlung, weil ich andere Sachen der Who irgendwie aufregender fand. Meine deutsche Pressung der Quadropenia hatte mich nie so gepackt wie meine Erstpressungen von Who’s Next, Live at Leeds oder auch Tommy. Weniger wegen der Musik, sondern eher mehr zur Komplettierung meiner Sammlung von Erstpressungen, ging ich auf die Jagd nach einer solchen der Quadrophenia aus England und bin fündig geworden. Natürlich wasche ich die Scheiben, packe sie in neue Nagaoka-Innenhüllen und spiele sie wenig später auch wenigstens an (oder auch komplett), um den Zustand zu checken.
Rund um Camden Market im altehrwürdigen London gibt (oder gab) es unzählige Plattenläden, meist in Kellern, in welche man eine Treppe herunterstaksen musste, um sie zu entern. Die Eigentümer oder Pächter konnte man unschwer der Punk- und Wave-Generation zurechnen und die Kundschaft schien vom selben Stamm zu sein. Abertausende LP’s fand man da in teils zerfledderten Schubern, rudimentär ausgepreist (wobei das später an der Kasse ohnehin keine Rolle mehr spielte, weil der Haufen LP’s vermutlich nach dem gefühlten Gesamtgewicht verhökert wurde). Ich war oft in diesen Läden, meist in akkurater Business-Kleidung, die meinen geschäftlichen Terminen geschuldet war. Die Anwesenden schauten stets etwas irritiert und schienen jeden Moment loszuschlagen, um mich wie Mad Max in die Donnerkuppel zu schleppen, wo man dann versuchen würde, mir den Garaus zu machen. Schon nach wenigen Besuchen war mir die Beschau aber völlig egal. Viel wichtiger war die Beute. Dort fand ich mein Exemplar des Who-Doppelalbums und glücklicherweise war sogar das Booklet noch eingeheftet. Ich checkte die Informationen in den Auslaufrillen und mein Herz begann zu hüpfen. Als vermeintlicher Sprössling des verhassten Establishments drapierte ich noch ein paar andere Alben um meinen Fund herum (ich habe aus diesen Läden beispielsweise mindestens 10 Exemplare der Dark Side of the Moon in der Hoffnung geschleppt, ich erwische einen Stamper der besser klingt als die anderen Exemplare in meiner Sammlung). Ich habe aber auch vor den staunenden Augen des Publikums hartes Zeugs von The Clash, XTC, Gang of Four, Buzzcocks, Tuxedo Moon, Captain Beefheart u.a. zur Kasse geschleppt. Meist habe ich die LP’s äußerst günstig erstanden und mit dem jeweiligen Zustand einigermaßen Glück gehabt.
Quadrophenia beginnt mit „I am the Sea“, diesem Meeresrauschen, dem Tosen der Wellen und den gesungenen Wortfetzen Daltrey´s bevor es in „The real me“ übergeht. „Can you see the real me, can you, can you?…“ und dann kommt der instrumentale Tsunami mit voller Wucht!
Gute Güte dachte ich, was ist denn da los? Diese Erstpressung ist das deutlichste Beispiel in meiner Sammlung, was die Klangunterschiede zu späteren Pressungen betrifft (vielleicht noch bei „The lamb…“ von Genesis). Dieser Bass von Entwhistle, wo kommt der auf einmal in dieser Wucht her? Dieses Tänzelnde und doch Druckvolle (obwohl der gute Mann immer fast unbeweglich auf der Bühne stand, während sich die anderen regelrecht selbst fertigmachten). Und dann Keith Moon. Dieser Schlagzeuger war ein Ereignis, ein Körpertrommler, ein positiv Verrückter, der erst nachgab, wenn ihm die Luft wegbliebt. Heute spielt Zack Starkey das Schlagzeug, wenn The Who touren. Zack ist der Sohn von Ringo Starr und ging als kleiner Bub schon bei Moon’s Zuhause ein und aus. Dann Townshend an der Gitarre, akustisch, elektrisch, überall. Daltrey reifte nach und nach zu einem wirklich guten Rocksänger und hier hat er den Peak erreicht. Das Mastering hat George Jones erledigt (The Mastering Lab) und einen absoluten Volltreffer gelandet. Der Klang ist schlicht und einfach überwältigend und jetzt erst kann ich wirklich hören, welche Energie diese Band bei den Aufnahmen zu Quadrophenia entwickelte. Dieses Album packt Sie und lässt Sie nicht mehr los, sofern es die englische Erstpressung ist. Schlicht und einfach grandios!
The Who - Quadropenia
Track 2657 013
England 1973 – Stamper Matrixes: A ∇1, B ∇1, A ∇1, B ∇2
In den Achtziger-Jahren bereiste ich beruflich oft Westafrika und dort hauptsächlich Ghana, Niger, Burkina Faso und das damalige Zaire. Natürlich hatte ich „meine“ Musik dabei, auf Audio-Kassetten, deren Spulen in einem Sony-Walkman rotierten. Es ergab sich, dass ich eines Tages vom Norden Ghanas, genauer gesagt Nyankpala, mit dem Auto nach Süden in die Hauptstadt Accra reisen musste. Mein Reisegefährte war ein Deutscher, der sehr oft in Ghana zu tun hatte und er besaß einen alten Mercedes 200 D, mit dem wir unsere Fahrt antraten. Nach etwa einem Drittel der Strecke machten wir Zwischenhalt in einer katholischen Missionsstation und die Schwester Oberin bat uns, einen Jungen ein Stück weit mitzunehmen, der aus einem Dorf weiter südlich kam und eine Weile in der Mission aufgepäppelt wurde, weil seine Familie wenig, um nicht zu sagen gar nichts besaß.
Wir sahen ihn vorher am Ufer eines Gewässers spielen. Er zog ein kleines Gefährt hinter sich her, geformt aus einer Blechbüchse mit Achsen aus Zweigen und unrunden Rädern aus Holz. Er schien glücklich zu sein, mit seinem strahlenden Lächeln und so friedlich wie er war. Ich beobachtete ihn eine Weile im Auto, wie er da auf dem Rücksitz kauerte. Wir hatten eine meiner Kassetten in die Musikanlage des Mercedes verfrachtet. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass auch „I’d like to change the world“ von Ten Years After lief. Es mag wie ein Klischee klingen, aber ich kam mir plötzlich schäbig und maßlos vor, wenn ich daran dachte, dass ich bald wieder im in allen Facetten saturierten Deutschland war, wo der Aufreger des Tages für viele Leute die 5-minütige Verspätung der U-Bahn ist. Und als ob dies noch nicht genügend Pathos wäre, will ich noch etwas berichten und ich schwöre bei Allem was mir heilig ist, dass es sich genau so zugetragen hat: Ich hatte dem Jungen meinen Sony Walkman gegeben und er saß da auf dem Rücksitz, die Kopfhörer auf dem schmalen Kopf platziert. Völlig unvermittelt trällerte er einen Song mit, den ich auf irgendeiner Kassette wohl irgendwann einmal aus dem Radio mitgeschnitten hatte. Er sang mit seiner dünnen Stimme ganz leise in seinem rudimentären Englisch „we are the world, we are the children…“. Dieser kleine freundliche Kerl hat mich fix und fertig gemacht. Es sind manchmal Kleinigkeiten, die einem urplötzlich die Augen öffnen für die wahren Schätze, auch wenn wir das in unserem Alltag leider immer wieder zu schnell vergessen, was auch auf mich zutrifft. Zumindest bewog mich dieses Erlebnis (und noch andere) dazu, eine anonyme Patenschaft zu übernehmen – ein Tropfen auf den heißen Stein zwar, aber besser als nichts. Schulbildung, Essen und Kleidung sollten allen Kindern zur Verfügung stehen, was natürlich naives Wunschdenken ist. Bevor es zu politisch wird, mache ich einen Cut…..
„A space in time“ ist ein weiteres Schätzchen aus dem Island Katalog, gemastert von George Peckham (Porky, Pecko in der Auslaufrille). Alvin Lee ist nicht unbedingt bei allen Rockfans gelitten; zu oft dehnt er Soli unverhältnismäßig lange aus – andere wiederum finden gerade das sensationell. Er galt lange Zeit als der „schnellste“ Gitarrist, was auch immer ein solches Attribut an Wert darstellt. „A Space in Time“ ist eine sehr ausgewogene Scheibe, sehr gut durchhörbar und als englische Erstpressung klanglich ein Sahneteil. Starten Sie mit „I’d like to change the world“ und sie wissen wo es langgeht. Es gibt frühe Scheiben von TYA auf dem Deram-Label (Sublabel von Decca), die auch sehr gut klingende Stücke enthalten, z.B. „Spider in your web“ auf der „Undead“, live aufgenommen in einem kleinen Club, oder auch „Love like a man“ auf der „Cricklewood Green“. Wirklich durchgängig guten Sound wie „A space in time“ bieten diese LP’s aber nicht. Spätere Pressungen von CHR 1001 fallen klanglich etwas ab, achten Sie unbedingt auf die o.g. Angaben zu den Matritzen, falls Sie sich für diese Scheibe interessieren.
Ten Years After - A Space in Time
Chrysalis Label CHR 1001, Stamper Matrixes: A-1U Porky, B-1U Pecko
England 1971
Wenn ich diese LP höre, baut sich in mir automatisch die dräuende und unheimliche Atmosphäre von Umberto Eco’s „Der Name der Rose“ auf – und ich meine das Buch, nicht den Film – der ist viel zu hektisch geschnitten, obwohl die Kulisse natürlich grandios ist. Ähnlich ging es mir mit „Das Parfüm“ – das Buch entwickelte einen wahren Zauber, zog mich in eine Parallelwelt, in der Menschenleben so flüchtig waren wie der Duft der Flüssigkeit um die sich die Geschichte des Mörders spinnt. Oder ein Buch, dessen Titel nicht unbedingt den Inhalt assoziiert. Es heißt „Lempriere’s Wörterbuch“ und handelt – grob und kurz dargestellt - von mysteriösen Knochenfunden im alten London, bis das Gesamtbild der Exponate Aufschluss über ein gigantisches Skelett gab. Das ist subtiler Grusel mit Stil und dabei geht es auch um die hier vorgestellte LP. Es gibt Kulturgut, welches eine unwiderstehliche Kraft entfaltet, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen.
„The Plague“ ist ein schaurig-schönes Stück klassischer Musik, meisterlich eingefangen vom genialen Toningenieur Kenneth Wilkinson. Ich besitze die Decca Narrow Band Pressung, also die Zweitauflage, die Erstauflage ist die Wide Band und ein Bekannter, der sie besitzt, war so freundlich mir das gute Stück für ein paar Tage zu überlassen. Ähnlich wie bei RCA’s LSC-2446 die als „White Dog“ Zweitauflage besser klingt als die „Shaded Dog“ Erstpressung ist es auch bei der Decca Head 6 – die Narrow Band zeichnet etwas feiner durch, ohne an Punch zu verlieren und davon gibt es reichlich auf diesem Stück. Ich besitze Hunderte RCA-, Mercury- und Decca-Erstpressungen klassischer Musik und etliche davon klingen sehr gut bis hervorragend, aber bis auf ganz Wenige kommt keine an den natürlichen und dynamischen Klang dieser Decca Head 6 heran. Diese LP atmet, hat Raum, offenbart jedes Detail des Orchesters, donnert im Basskeller und explodiert in den Höhen. Es gibt etliche leise Passagen, die nicht minder faszinieren. Die gruselige Geschichte handelt von einer Rattenplage und ist nichts für zarte Gemüter. In manchen Passagen geht es im Zusammenspiel der Musiker vermeintlich chaotisch zu, was sich aber immer fügt und mit zunehmender Wiederholung des Genusses dieser Scheibe am Ende schlüssig wirkt. Schon beim Intro hört man wie sich das Klangbild sehr weit ausdehnt, den Raum ausleuchtet und einen kraftvollen Sog entwickelt. Ihnen wird es ähnlich ergehen wie mir; sie werden das Stück zunächst ein wenig hassen, Sie werden sich jedoch der audiophilen Aura schwerlich entziehen können. Sparen Sie sich das Aufgeld für die Wide Band und halten Sie nach der Narrow Band Ausschau. Das ist ganz grosses Kino.
Roberto Gerhard – The Plague, Dorati/National Symphony Orchestra
Decca Head 6 – Stamper Matrixes: ZAL-13125-1G, ZAL-13125-3G
England 1974
Beim Genuss dieses Doppelalbums muss ich an eine Bar in der Nähe der Carnegie Hall denken. Sie hieß damals „The blue whale“. Ein paar Male war ich dort zusammen mit einem ehemaligen „Kumpel“ der sich Jahre später im Zusammenhang mit einer üblen juristischen Auseinandersetzung als Judas entpuppte. Wie dem auch sei, war dieser Ort sozusagen die letzte Zuflucht Jener, die beim Streunen durch das nächtliche Manhattan keinen Erfolg damit hatten, eine Begleitung zu finden, die sie in der Dunkelheit nach Hause eskortiert.
Es war eine bizarre Atmosphäre, weil es erst gar nicht zum üblichen Small Talk kam, bevor sozusagen die Katze aus dem Sack kroch; geradeso wie bei jemandem der es wahnsinnig eilig hat und versucht, die versäumten Dinge stark komprimiert nachzuholen, im Zeitraffer, der keinen Platz für das eigentlich übliche Schmuckwerk gesitteten Vorgehens bei der Anbahnung von Bekanntschaften lässt.
Männlein und Weiblein standen beisammen, als hätte die Stadt sie hierher gespült, geradeso wie das Meerwasser das Treibgut an den Strand. Die meisten von ihnen hielten ein bläuliches Getränk in niedrigen Gläsern in einer Hand. Auf dem Rand des Glases sah man einen viel zu großen Plastikwal, der kopfüber ins Glas zu beißen schien. Das war so lächerlich, dass es schon wieder cool war.
Wir beobachteten, dass es nicht mehr als eines Drinks bedurfte, um in Begleitung die Lokalität verlassen zu können. Wer es wirklich auf so etwas anlegt, sollte nach dieser Bar fragen, wenn er Manhattan besucht. Ich habe keine Ahnung wie dieser Schuppen heute heißt, aber ein wenig in der Szene Herumfragen dürfte reichen, um diesen verwunschenen Ort der vermeintlichen Glückseligkeit der Rastlosen ausfindig zu machen, falls es den Laden überhaupt noch gibt. Wir begaben uns alsbald nach draussen in die Nähe einer der heiligsten Hallen der Live-Musik.
Denn quasi nebenan befindet sich mit der Carnegie Hall eine der berühmtesten Musikstätten, die jeden Musiker adelte, der dort jemals auftreten durfte. So auch Mr.Belafonte im Jahr 1959 in der Blüte seines Schaffens.
LSO-6006 ist für Viele die Mutter der Live-Konzerte auf Konserve. Dies war der erste Millionenseller auf Vinyl und dementsprechend viele Exemplare gibt es (noch). Allerdings ist Vorsicht geboten. Die Original US-Pressungen (Shaded Dog oder auch White Dog Label) sind allen anderen vorzuziehen, auch der kanadischen und der deutschen Pressung.
Es gibt unzählige Re-Issues unterschiedlicher Qualität, von denen manche gar nicht so schlecht sind. Es gibt auch eine Ausgabe von Classic Records, die mit 45 Umdrehungen läuft, aber nur noch sehr teuer zu haben ist. Das erste Re-Issue von Classic Records mit 33RPM ist sehr gut. Wenn Sie kein sauberes Original finden, ist das ein guter Ersatz. Nur minimal vordergründiger, aber sehr detailreich und flüssig.
Zur Zeit der Aufnahme war die Carnegie Hall noch akustisch top, später wurde sie renoviert und der Zauber war vorbei. Ich brauchte mehrere Anläufe um ein wirklich sauberes Exemplar zu ergattern. Ich besitze insgesamt 8 Exemplare dieses Doppelalbums, einschließlich zweier kanadischer Pressungen, einer deutschen Pressung und eines Re-Issues. Die anderen 4 sind Shaded Dogs (also Erstausgaben bzw. auf dem ersten Label) und eine davon ist eine White Dog (zweites Label). Zu oft haben amerikanische Verkäufer eine etwas zu romantische Vorstellung vom wirklichen Zustand ihrer LP’s. Hier und da ein kleiner kurzer Knackser ist o.k., aber Lagerfeuerprasseln braucht kein Mensch.
Mein Frau liebt dieses Album und wir haben so manche Abende zusammen in meinem Hörraum mit Herrn Belafonte verbracht, wobei sie sehr oft erwähnte, dass sie liebend gerne auf diesem Konzert gewesen wäre (davon einmal abgesehen, dass sie zu jener Zeit noch nicht das Licht der Welt erblickte).
Das Album ist recht erschwinglich, allerdings gibt es auch Glücksritter die es mit dem aufgerufenen Preis übertreiben. Achten Sie darauf, dass die Platten im Werk in Indianapolis gepresst wurden, welches seinerzeit die beste Vinylqualität bot. Das erkennen Sie am Kürzel „I“ in der Auslaufrille. Exemplare mit dem Kürzel „R“ kamen aus Rockaway und solche mit einem „H“ aus Hollywood – lassen Sie Beide besser links liegen, denn ich habe noch kein Exemplar aus diesen Presswerken gehabt oder gehört, welches wirklich in Ordnung war.
Haben Sie keine Sorge wegen eventuell hoher Matritzen-Nummern; ich habe schon eine 35S gehört, die fantastisch klang. Das Programm ist Massenkompatibel, inklusive des Gassenhauers „Matilda“, das Klangbild ist äußerst homogen, nichts wurde an den Reglern überzogen, alles ertönt in den richtigen Dimensionen und die Saalgröße kann sehr gut verortet werden.
Die Aufnahme atmet und lebt. Lediglich an manchen Stellen zischeln die Sibilanten, wenn Herr Belafonte singt. Das Album ist ein Muss für alle Liebhaber des guten Klanges. Es gibt ein Folgealbum mit dem Titel „Belfonte returns to Carnegie Hall“ mit der Katalognummer LSO-6007 welches ebenfalls mit Einschränkungen empfehlenswert ist; Einschränkungen nur wegen des etwas verschrobenen Programms, denn insbesondere der Beitrag von Odetta nervt ein wenig. Klanglich ist das Album top. Es gibt eine dritte Live-Aufnahme von Belafonte, die heißt „At the Greek theatre“. Sie kommt allerdings nicht annähernd an die Klangqualität von LSO-6006 und LSO-6007 heran.
Belafonte at Carnegie Hall
RCA Living Stereo – LSO-6006 – Shaded Dog-Label - Matrix: 5S/11S/7S/5S - Indianapolis
USA 1959
Wenn ich „Skating away (on the thin ice of a new day)“ anhöre muss ich unweigerlich an ein Neujahrsdesaster denken, welches mir und einem Begleiter im zarten Alter von 17 Jahren zustieß. Wir waren offiziell bei einem „Kumpel“ zur Feier eingeladen, was dieser aber vermutlich „vergaß“, seinen Eltern mitzuteilen. Auf dem etwa 20 km langen Hinweg hatten wir Tramperglück und kamen am späten Abend an. Die Feier war richtig toll. Wir saßen im viel zu kleinen Zimmer unseres „Gastgebers“ und nippten am von seinen Eltern rationierten Bier, als draußen die Böller losgingen. Kurze Zeit später kommandierte uns der Herr des Hauses nach draußen und wünschte einen guten Heimweg. Es war bitterkalt und wir waren nicht angemessen gekleidet, weil wir nicht mit einem Rausschmiss rechneten. So traten wir den Fußmarsch an; Autos sahen wir keine. Nach den ersten 500 Metern auf spiegelglatten Bürgersteigen mussten wir aufgeben und verharrten in der Eiseskälte an einer Bushaltestelle bis 6 Uhr morgens.
Ich habe nie wieder in meinem Leben so dermaßen gefroren und noch heute fröstelt es mich, wenn ich das Eröffnungsstück auf „War Child“ spiele, einem weiteren akustischen Kunststück von Jethro Tull und dem Tontechniker George Peckham (Porky, Peckie usw.). Diese LP klingt saftig, voll, mit Druck in den unteren Lagen, detailliert und „echt“. Wie bereits erwähnt, hätten es auch das Debutalbum „This Was“ und „Stand Up“ auf dem Pink Island Label verdient, etwas ausführlicher beleuchtet zu werden, weil es richtig gute Aufnahmen sind. Ich habe mich aber für „War Child“ entschieden, weil dieser Titel noch zu annehmbaren Preisen als englische Erstpressung zu finden ist. Die beiden anderen sind bereits in 3-stellige Euro-Regionen abgedriftet. „Thick as a brick“ als UK-Erstpressung auf dem grünen Chrysalis-Label mit rauer Oberfläche ist o.k., aber reicht nicht an die überragende Klangqualität von „War Child“ heran. Man muss kein ausgesprochener Jethro Tull Fan sein um die Platte zu mögen. Geben Sie dem Titel eine Chance, wenn sie die Musik noch nicht kennen. Für solche Rohdiamanten wurden Plattenspieler gemacht.
Jethro Tull – War Child
Chrysalis CHR-1067, Stamper-Matrixes: A-3U Porky + Melly, B-1U Peckie + Mellie
England 1974
Das Stück hatte ich bereits im Vorwort erwähnt und die Geschichte dahinter kurz beleuchtet.
Der „Skandal“ bei der Uraufführung setzt sich bis in die Neuzeit fort, wie ich kürzlich selbst erfahren durfte. Ein Bekannter besitzt ein Boot, mit welchem er auf dem Fluss der benachbarten Großstadt gelegentlich herumschippert. Es gibt dort jährlich ein Open Air Konzert des örtlichen Symphonieorchesters, welches am Ufer des Flusses stattfindet. Dutzende Boote werden dadurch angelockt und ankern unweit des Spektakels. Skipper und Passagiere lauschen dann den Klängen des Orchesters vor dem Sonnenuntergang, der die imposante Skyline nochmals in Szene setzt bevor das künstliche Licht die Silhouetten der Hochhäuser nachzeichnet. An einem dieser Abende stand „Sacre“ auf dem Programm. Wir hörten die Ansage, die den Zuschauern und Zuhörern den 2.Satz des Balletts ankündigte. Minutenlang lauschten wir bedächtig den auf- und abwiegenden Streichern, die uns zum brachialen Ausbruch des Orchesterapparats navigierten. Sie müssen das einmal live erlebt haben um wirklich zu verstehen, welche Macht, welche unbändige Kraft Musik haben kann. Meine Begleiter waren weniger begeistert, geradeso als hätten sie mit einer schmeichelnden kleinen Nachtmusik gerechnet, jedoch im übertragenen Sinne das volle Metal-Brett vor den Kopf bekommen. Ich jedoch setzte verzückt das Lächeln des Honigkuchenpferdes auf, schaute in den Nachthimmel und genoss einfach nur.
Betrachtet man „Sacre“ im Kontext der drei Ballette, die Stravinsky in relativ kurzer Zeit hintereinander komponierte (die beiden anderen sind „Der Feuervogel“ und „Petrushka“) ist zumindest der 2.Satz der Sperrigste der drei Werke. Nichtsdestotrotz sollten Sie sich diese LP anhören, denn sie bietet nicht nur musikalisch Außergewöhnliches. Es ist ein Genuss zu hören, was der Decca-Producer Ray Minshull klanglich schuf. Wenn das komplette Orchester mit Urgewalt losbricht, werden Sie - über gutes Equipment abgehört - Freudentränen in den Augen haben. Die ruhigeren Teile bieten Streicherklang vom Feinsten. Solti, der seine Meriten mit dem Dirigat der Mahler-Symphonien und Wagners Ring der Nibelungen verdiente, macht hier einen exzellenten Job. Man spricht oft Ernest Ansermet zu, näher an Stravinsky gewesen zu sein (die Beiden kannten sich persönlich); mir gefällt aber die vorliegende Interpretation besser, was vielleicht auch daran liegen mag, dass ich nur die Mono-Aufnahme mit Ansermet kenne (und eine schreckliche Stereo-Version auf Turnabout, die von Mono auf Stereo elektronisch „re-processed“ wurde). Die LP ist auch als LONDON-Ausgabe (identische englische Pressung, aber aus rechtlichen Gründen unter dem LONDON-Label in den USA vertrieben, wie fast alle anderen Decca’s auch) mit der Katalognummer CS 6885 empfehlenswert und meist für kleines Geld zu haben.
Igor Stravinsky –Le Sacre du Printemps, Sir Georg Solti/Chicago Symphony Orchestra
Decca SXL 6691 – Narrow Band –
England 1974
Natürlich lief Cat Stevens bei unzähligen Privatparties, deren Grundausstattung reichlich Bier und improvisierte Sitz- (oder Liege-)Gelegenheiten in Form ausgedienter Matratzen war, auf denen man alleine oder als angehendes Pärchen herumlungerte – das war eine ganz eigenartige Form der Frühromantik und selbst als ein der Rockmusik verschriebener Jüngling konnte man sich dieser Aura schwerlich entziehen.
Wie unfassbar weit Tea for the Tillerman auf der Welt verbreitet war und sich als Schmuse-Klassiker Jahrzehnte lang etablierte, erfuhr ich viele Jahre nach der Veröffentlichung der LP ausgerechnet in Florida in Form des Songs „Wild World“. Ich suchte eine Bleibe für etwa 3 Wochen und da boten sich kleine und möblierte Wohnungen an, die am Ende billiger kamen als ein Hotel. Angeboten werden diese Behausungen von der Armada stromlinienförmiger Maklerinnen, deren Aussehen man schon einen Tag später kaum mehr von dem der anderen unterscheiden kann, außer vielleicht an den Schuhen. Die etwas burschikosen unter ihnen trugen Slipper mit flachem Absatz und diejenigen, die ich als overdressed bezeichnen würde, konnten in ihren Schuhen mit hohen Absätzen nur unter höchster Konzentration geradeaus laufen. Man merkt allen den Erfolgsdruck an – das ist bei vielen US-Familien der Fall, wo beide Partner berufstätig sind, um die Kohle für die Zahlung der Rechnungen zusammenzuschaufeln. Wie frustriert manche der Ladies sind, erfährt man ab und zu am Verhalten; insbesondere nach dem Genuss alkoholischer Getränke und das müssen nicht mal viele sein. Es muss diese unbarmherzige Perspektivlosigkeit sein, welche diese Wesen fest im Griff hat – Vorstadthäuschen, Mittelklasseauto, Repetiergeselligkeiten und einsame Wochenenden wegen der ganzen Football- und Baseball-Spiele, die sich die Göttergatten bei Budweiser und Miller Light stundenlang antun. Während die Männer also in unzähligen Sportübertragungen versinken, staksen die Damen in die Stadtbars um Zeit tot zu schlagen, wo sie nach 2 Cocktails recht gefährdet sind, von dem Gefühl der Anhänglichkeit gefangen genommen zu werden. Ich hatte immer Respekt vor den unermüdlichen Versuchen Geld zu verdienen und dafür morgens pünktlich aufzustehen und den "Murmeltiertag" mit einer weitestgehend positiven Einstellung anzugehen. Ja, es gibt dort auch männliche Makler die ihr Bestes geben, allerdings sind Frauen ehrlicher wenn es darum geht zuzugeben, dass man einen erfolglosen Tag hatte. Da ich kein Experte auf dem Gebiet der Geschlechterpsyche bin, belasse ich es bei meinen oberflächlichen, jedoch sehr persönlichen Beobachtungen.
Die Maklerin, mit der ich verabredet war, liess sich etwas schwerer einschätzen - sie war zurückhaltend und nicht so "pushy" wie die meisten anderen. Das Apartment, welches sie mir feil bot, war sehr gut ausgestattet und hatte tatsächlich auch eine dieser Minianlagen mit CD-Spieler. Alles einschließlich Mini-Lautsprecher war akkurat auf einem Sideboard platziert und daneben lag ein kleiner Stapel CD’s; nichts Umwerfendes oder Extravagantes, Mainstream halt – man weiß ja nicht wer da temporär einziehen will – eben das typische Bild des amerikanischen Verständnisses von „Everybodies Darling“ , was sich auch im Mobiliar widerspiegelte.
Die Tea for the Tillerman lag auch da herum und ich musste meinem Drang nachgeben, die Anlage zu „testen“, was sich im Nachhinein als unnütz herausstellte, weil ich im Grunde bereits vorher wusste wie es ausgehen würde. Der Klang war unterirdisch, aber was soll man sagen – war ja nicht mein Equipment.
Es lief gerade „Wild World“ als die Dame verkaufstechnisch offensiver wurde. Als Gentleman ist man in einer solchen Situation mit einer Herausforderung konfrontiert – einerseits will man die Attacke parieren, andererseits aber auch den anderen Menschen nicht brüskieren oder bloßstellen. Die kleine Wohnung sagte mir überhaupt nicht zu und Ich machte ihr deutlich, dass ich noch zu einem dringenden Termin musste, mir aber durchaus vorstellen könnte, die Wohnung am nächsten Tag mit ihr zusammen nochmals intensiver unter die Lupe zu nehmen. Anderntags ließ ich sie nicht im Stich, denn ich schrieb ihr eine SMS (ja, damals SIMSTE man noch) in welcher sinngemäß stand, dass ich am Abend noch in eine Polizeikontrolle geriet, was mich sehr erschreckte, da mein Aufenthaltskontingent von 90 Tagen nahezu aufgebraucht war und ich befürchten müsse, bei der Ausreise in Schwierigkeiten zu geraten, weshalb ich kurzentschlossen die Reise in die Heimat antreten würde.
Cat Stevens alias Yusuf Islam alias Cat Stevens spielte nach “Mona Bon Jakon” dieses Werk ein. Es sollte der Vorbote seines großen Durchbruchs sein, der endgültig mit dem Folgewerk „Teaser and the Firecat“ gelang. ILPS-9135 ist die letzte Island-Veröffentlichung auf dem pinkfarbenen Label. Das neue Labeldesign zeigte eine Insel mit einer Palme und der Labelrand war pinkfarben eingefasst – man nennt dieses Label unter Sammlern „Pink Rimmed Palm Tree Label“ oder auch „Pink Rim Palm Tree“. Es begegnet Ihnen noch öfter in diesem Buch. Noch während Herstellung und Auslieferung von ILPS-9135 fand dieser Wechsel statt und die mit Abstand größte Anzahl dieses Albums kam mit dem neuen Label in die Läden. Das macht die Pink Island rar, um nicht zu sagen sehr rar. Da es sich klanglich um ein weiteres Juwel handelt, war ich eine Zeit lang damit beschäftigt, unterschiedliche Pressungen miteinander zu vergleichen. Ich besitze acht Exemplare der ILPS-9135, wobei eines die „Erstpressung“ auf dem Pink Label ist und die anderen mit dem Pink Rimmed Palm Tree Label versehen sind. Die deutsche Pressung (kam nie auf dem Pink Label) enttäuscht davon am meisten; gefolgt von der italienischen Pressung. Die französische Ausgabe klingt sehr annehmbar, aber es sind die diversen englischen Pressungen, die Freude bereiten. Mit einer englischen Pink Rimmed Palm Tree können Sie nichts falsch machen. Je nach Stamper Matrix sind diese Exemplare sehr dicht an der Klangfülle der Pink Island. Von ganz wenigen Momenten abgesehen, bietet ILPS-9135 auch musikalisch Einiges. „Wild World“ beispielsweise wurde schon unzählige Male gecovert, auch von gestandenen Rockbands. Natürlich war Stevens oft der Barde für Schmusestunden; es gibt jedoch so viel auf dieser LP zu entdecken, insbesondere weil die Aufnahmequalität heraussticht. Die Drums kommen wuchtig, die Akustikgitarre dynamisch und weich zugleich, E-Piano und Bass sind ebenso perfekt konserviert. Manche Tempi-Wechsel und Breaks (wohl dem griechischen Temperament des Hauptakteurs geschuldet) sind aberwitzig. Alles klingt organisch, wie aus einem Guss. Das ist eine tolle LP, egal was man über Stevens denken mag. Wer sie noch nicht hat, sollte dies schnell nachholen.
Cat Stevens – Tea for the Tillerman
Island ILPS 9135 – Pink Label – Stamper Matrixes: A-3, B-3, Sterling
England 1970
Mit “Peace Train”, “Morning has broken” und “Moonshadow” gelangen Stevens so genannte Evergreens. Selbst wenn Geschmacksfragen eventuell im Weg stünden, ist diese LP ein audiophiles Fest. Die frühen englischen Pressungen klingen schlicht superb. Es gibt eine ganze Reihe von Island-LP’s die in Sterling gemastert wurden (das war eine „Mastering-Fabrik“ in New York) und ich kenne kaum ein Exemplar aus Sterling, welches klanglich wirklich durchhängt. Auch ILPS-9154 habe ich in diversen Pressungen, wobei leider wiederum die deutsche Ausgabe mit dem fast schon als üblich zu bezeichnenden Manko aufwartet, dass alles gebremst und im Vergleich zu den englischen Ausgaben einfach verschlafen klingt.
Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, weil dies ein sehr weites Feld wäre, welches sicher ein weiteres Buch füllen würde, gibt es neben der Angabe zur „Mutter“ (z.B. hier A-3U, B-3U) ein zusätzliches Merkmal bei den Stampern in den Auslaufrillen mancher Island-LP’s und zwar hauptsächlich solcher, die recht hohe Verkaufszahlen hatten. Es ist ein Buchstabenkürzel, welches immer mit „H“ endet. ILPS-9154 hatte hohe Verkaufszahlen und es wurden dementsprechend viele Matritzen hergestellt (so genannte „Mütter und „Söhne“). Vor dem „H“ stand ein anderer Buchstabe und LH beispielsweise war der jeweils 3.Sohn einer Matritze, weil das „L“ der dritte Buchstabe des Wortes „Island“ ist. Demnach wäre IH der erste Sohn und wenn Sie eine der seltenen A-3U, B3-U (das ist die erste Mutter) mit „IH Sterling“ in der Auslaufrille erwischen, haben Sie die Erstpressung (genauer gesagt ein Exemplar der ersten Charge) in der Hand. Dieser Hinweis entstammt nicht etwa meiner Phantasie und soweit mir bekannt ist, kann man auch nichts darüber im Web finden. Das hat sich ein mir bekannter Sammler erarbeitet, mit dem ich auch die eine oder andere LP tauschte und bewertete, wobei schon mal bis zu einem Dutzend Pressungen eines Titels zusammenkamen. Wir fühlten uns dabei ein bisschen wie Archäologen. Aus meinem übrigen Bekanntenkreis hieß es dazu nur: da sieht man mal wieder, mit welch einfachen Dingen man erwachsene Männer stundenlang beschäftigen kann.
Cat Stevens – Teaser and the Firecat
Island ILPS-9154 – Pink Rimmed Palm Tree Label – Stamper Matrix: A-3U, B-3U LH Sterling
England 1971
Kennen Sie das Buch „Puppenmord“ von Tom Sharpe? Es handelt von einem Berufsschullehrer in England der sich auf dilettantische Weise daran versucht, seine Frau loszuwerden, die ihn zuvor auf eine Party schleppte, auf welcher er mit einer Nymphomanin konfrontiert wird. Natürlich ist seine Frau an Allem schuld und er sinnt auf Rache. Er probt den Mord an ihr, indem er eine aufblasbare Puppe in einen Bauschacht wirft, welcher tags darauf mit Zement befüllt wird. Pech nur, dass ein Bauarbeiter einen Arm herausragen sieht und die weitere Befüllung stoppt. Was danach an Verwicklungen folgt ist zum Brüllen komisch. Der allgegenwärtige Frust des Berufsschullehrers baute sich zu einem guten Teil durch seine Arbeit auf. Zu unterrichtende Schulklassen wie „Auszubildende des Metzgerhandwerks“ nagten an ihm wie der Zahn der Zeit.
Einer meiner Bekannten ist Berufsschullehrer. Er bildet Köche aus, von denen gut 90% der Null- Bock-Generation angehören. Um das zu kompensieren, hört er leidenschaftlich gerne Musik; vorwiegend klassische Stücke und auch er besitzt „Die Kluge“ in der Eterna-Pressung. Ich weiß nicht wie oft wir Tonabnehmer und Tonarme und Boxen mit dieser Aufnahme getestet haben. Bei einem guten Single Malt oder exzellenten Rotweinen, begleitet von köstlichen Speisen. Er wird wohl nie fertig mit der Optimierung seiner Anlage, die mit allerlei Röhren- und Transistorelektronik, Kabeln in Pythonausmaßen und mannshohen Boxen gut ein Drittel des Wohnzimmers einnimmt.
Wie auch immer: die Textzeile „Oh hätt ich meiner Tochter bloß geglaubt…“ jedenfalls mäanderte sehr lange in unseren Träumen herum……
Der für „Die Kluge“ zuständige Toningenieur Eberhard Richter war ein ganz Großer. Ich kenne keine ETERNA-LP die nicht ausgesprochen gut klingt, wenn Richter seine Hand im Spiel hatte.
Die Geschichte ist jene von dem König und der klugen Frau und wie gewohnt von anderen Kompositionen Carl Orffs mit Passagen gespickt, welche die Dynamik eines Orchesters herausfordern (siehe „Carmina Burana“ mit Frühbeck de Bourgos). Das Hauptaugenmerk aber liegt bei „Die Kluge“ auf dem Gesang. Ich nenne es mal ein Stück zwischen Oper und Singspiel.
Dies ist eine der ganz wenigen „Opern“, die perfekt aufgenommen sind. Den Bauern singt Rainer Süss (Bass) in fein verständlicher Artikulation, was bekanntlich nicht oft der Fall ist bei solchen Aufnahmen. Und dann der Aufnahmeraum……man kann ihn akustisch in allen Dimensionen abstecken. Oder der teilweise überfallartige Einsatz des recht kleinen Orchesters mit Schlagwerk und Streichern. Dieses Doppelalbum ist klanglich ein Erlebnis.
Carl Orff – Die Kluge, Hebert Kegel/Rundfunk Symphonieorchester Leipzig
ETERNA – blaues Label - 8278155-156 – Stamper Matrixes:
DDR 1982
In den Neunziger Jahren kam ich mal ein paar Tage bei einem homosexuellen Männer-Paar in Manhattan unter, ganz in der Nähe der Tenth Ave. 18th Street – schon damals zu Unrecht als einer der schlampig verkommenen Teile dieser Metropole bezeichnet, aber das ist ein anderes Thema. Diese Leute waren nicht nur kultiviert und ausgesprochen freundlich, sondern auch musikbegeistert. Zu jener Zeit war Kurt Masur an der Metropolitan Opera und die „Carmina“ stand auf dem Programm. Leider war nur ein Ticket verfügbar und so begab sich der Jüngere der Beiden zum Konzert. Nachdem er zurückkehrte, wollte ich natürlich wissen wie er es fand. Er sagte, er hatte den Eindruck, dass einige Passagen doch stark an die Marschmusik der deutschen Armee erinnern, wie sie den Amerikanern in Propagandafilmen (einschließlich der wirklich amüsanten und sehr empfehlenswerten Uralt-Serie „Hogans Heros“) nahegebracht wurde und insgesamt eine gewisse harsche Diktion vorherrschte, die durch viele Wiederholungen (meist deren drei) noch verstärkt wurde. Irgendwie hatte mein Gastgeber den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich entgegnete, dass auch die diversen patriotischen Kompositionen seiner Landsleute schon den Gedanken zuließen, die eine oder andere Parallele zu ziehen. Als Beispiel nannte ich Coplands "Fanfare for the common man" oder auch "A call to arms" von James Horner aus dem Film "Glory". Es entspann sich ein angeregter Disput bei viel kalifornischem Rotwein, wobei meine Gesprächspartner zugeben mussten, dass auch Wagners Ritt der Walküren nicht zuletzt durch den Einsatz als Aufputschmittel bei den Hubschrauberangriffen in Vietnam wegen der kriegerisch anmutenden Diktion des Stückes beim US-Militär auf fruchtbare Ohren stieß. Dass die Basis (Texte) für die Carmina Burana Schriftstücke waren, die man im Jahr 1803 im Kloster Benediktbeuren fand, nahmen die Beiden umso mehr erstaunt zur Kenntnis, als dass es sich für die damalige Zeit (11. bis 13.Jahrhundert) – und insbesondere wegen des Fundorts – um recht frivole Zeilen handelt. Frei nach Forrest Gump auf der berühmten Bank der Bushaltestelle würde ich sagen „mehr kann ich dazu nicht berichten“.
Die „Carmina Burana“, die benediktbeurischen Gesänge, sind bestimmt fast jedem Musikhörer schon einmal begegnet. Vermutlich in Form von „O Fortuna“ dem Opener und Schlussstück des Werkes. Ein Chor aus mehr als hundert Sängern und Sängerinnen und ein Orchester in voller Montur wollen tontechnisch gebändigt werden. Und das ist auf SAN 162 vorbildlich gelungen. Ich habe die Carmina Burana in anderen Einspielungen/mit anderen Dirigenten und Orchestern auf Vinyl, aber keine reicht tonal an die Frühbeck-Einspielung heran, einschließlich der hoch gelobten Jochum oder Levine (beide auf Deutsche Grammophone). Ich will hier einen der „heiligen“ Momente des Stückes kurz beschreiben: Der Abschnitt „In Taberna“ beginnt mit einem Solo des Baritons J.Noble – „Estuans Interuis“ schäumt über und diese Stimmung überträgt sich 1:1 auf den Zuhörer, die Stimme kommt klar, prägnant, unwiderstehlich und doch ausgewogen, abgelöst von den Einsätzen des Orchesters mit Schlagwerk vom Feinsten, quasi aus dem Nichts und mit einer grandiosen Wucht. Es folgt „Olim Lacus Colueram“, ein Lamento des Schwans (Olim lacus colueram, olim pulcher extiteram, dum cignus ego fueram - Einstens war ich Zierd’ des Sees damals, prächtig anzuschaun, damals, als ein Schwan ich war), geschrieben für Tenor, jedoch gespickt mit dem hohen C, was ein wenig Assoziationen an den Gesang eines Eunuchen weckt. Es sind drei klagende Strophen und der Chorus dazwischen, dargeboten vom Männerchor, kommt nach der 1.Strophe schon verhalten bis etwas lauter, als würde der Chor auf den/die Hörer(in) zumarschieren, nach der 2.Strophe noch eine Idee lauter, bis er nach der 3.Strophe wie festgenagelt im Raume steht. (Miser, miser! modo niger et ustus fortiter! – (Elend! Jammer! Rundum schwarz schon und angebraten jetzt). Das ist zum Niederkien schön, auch wenn es den armen Schwan dahinrafft
Carl Orff – Carmina Burana, Frühbeck de Bourgos/NPO and Chorus
Angel Records His Masters Voice – SAN 162
England 1966
Um dem Frust unendlicher Autoschlangen auf der achtspurigen I-85 von Suwanee im Norden Atlantas bis nach Buckhead zu entfliehen, ist es ratsam einen guten Sender einzustellen. Damals hieß der Rock „98.7“ – die brachten einen Knaller nach dem anderen und etliche Songs von Rush gehörten auch zum Repertoire. Im Schleichgang stundenlang dahinschwimmend, genoss ich nach und nach die komplette „Moving Pictures“ und ich konnte das uralte Radio in meinem Camaro nicht allzu laut aufdrehen, da die Lautsprechermembranen sonst anfingen zu quietschen und die Verzerrungen üble Ausmaße annahmen. Das holte ich bei einer späteren Fahrt von Miami nach Key West (über die todlangweilige Straße von Key zu Key) nach. Der Leihwagen war recht frisch und die Stereoanlage amerikanisch satt – es war ein Chrysler Cabrio und mit offenem Verdeck litt der Bass ein wenig. Denn ich ging es laut, um nicht zu sagen sehr laut an…..“A modern day warrior – mean, mean stride, Today’s Tom Sawyer – mean, mean pride…” das war einfach nur herrlich.
Es gibt andere Varianten der frühen Pressungen wie A-1 und B-2 oder A-2 und B-2 die auch gut klingen – wichtig ist das Kürzel “RL” in der Auslaufrille. Hier war wieder der geniale Bob Ludwig am Werk. Meine deutsche Mercury macht sich klanglich gar nicht so schlecht, aber die kanadische Erstpressung ist schon hörbar besser.
Stellen Sie sich vor Sie sind Musiker und haben Ihr eigenes Tonstudio, welches auf einem Hügel steht, verglast ist und eine 360-Grad-Rundumsicht ermöglicht. Ich denke das macht automatisch gute Laune. Und genau an einem solchen Ort nehmen Rush ihre Alben auf. Ja, die Stimme des Sängers und Bassisten Geddy Lee ist anfangs gewöhnungsbedürftig, denn sie klingt hoch, fast weiblich. Der Star des Ensembles ist für mich Neil Peart(†), der Drummer. Klar hat er das entsprechende Equipment zur Verfügung, er weiß aber auch damit virtuos umzugehen. Was nutzt ein eigener Jumbo-Jet, wenn man den Vogel nicht fliegen kann? Neil Peart treibt die Songs an, baut Breaks ein, trommelt Stakkato und spielt im nächsten Moment sanft begleitend. Bassdrum, Tom-Toms, Becken und alles drum herum swingt und singt und kickt. Schon der Opener „Tom Sawyer“ macht atemlos. Als ich das Stück einem Bekannten vorspielte, der jahrelang in einer Band Schlagzeug spielte, schossen ihm Tränen in die Augen und er schwor, wieder mit dem Trommeln anzufangen. Das schafft Neil Peart. Leicht. Ich denke gerade an den Song, lasse ihn gedanklich Revue passieren und bekomme Gänsehaut. Auch das schafft Neil Peart. Der Song „Limelight“ hatte gefühlt noch mehr Airplay (Radio) als die anderen Songs und geht nach vorne als gäbe es kein Morgen. Die Mannen von Rush sind (waren) in ihren vielen guten Momenten gemeinsam eine fantastische Rockband.
Rush – Moving Pictures
Anthem Records – ANR-1-1030 – Stamper Matrixes: A-1, B-1 MASTERDISK RL
Kanada 1981
Das Wörtchen „Limelight“ (aus dem Rush-Album) erinnert mich auch an den gleichnamigen Club in Manhattan und anders als seinerzeit das angesagte „Tunnel“ (stillgelegter U-Bahn-Tunnel) hatte man dort eine gute Akustik – es war eine ausgediente Kirche (seit 2001 gibt es den Club nicht mehr). Es wurde dort oft rockig, es gab kleinere Konzerte, es liefen die Sisters of Mercy und andere angesagte Musik und die Mädels in vorwiegend schwarzen Klamotten tanzten um ihre Handtaschen herum, die sie am Boden drapierten, um sie im Blick zu behalten. Auf den Urinalen in der Herrentoilette brannten Kerzen, alles machte einen gewollt neo-sakralen Eindruck und jeder dort war cool, wenn nicht der Coolste.
Die hipperen Party-Löwen, oder jene, die sich als solche fühlten, tummelten sich in anderen Clubs, wie z.B. dem „Shout“ in der 43rd West zu Rock’n Roll und Hunderten bunter Luftballons um Mitternacht, wenn Frank Sinatras „New York, New York“ ertönte und sich das Shout unvermittelt vom stylischen Club in eine der vielen „normalen“ Discos verwandelte. Im Limelight wurde derweil gerockt und es lief auch Funk. Laut. Dort hörte ich das erste Mal „Make them dance“ von Defunkt, einer Band um den Posaunisten Joseph Bowie, dem Bruder des Jazzers Lester Bowie. Diese Musik hat jede Menge Dampf. Es gibt fetzige Bläser, druckvollen Bass und schweißtreibende Drums. Es puckert und blubbert und groovt. Die Stimme Bowies ist gnadenlos gut aufgenommen, schwebt über allem in sonorem Timbre, mit dem richtigen Timing. Der Gitarrist klingt wie ein Nile Rodgers auf Speed. Wenn Mothers Finest der Meinung waren, sie hätten fetzigen Funk gespielt, sind Defunkt der Urknall. Die deutsche Pressung ist top. Unbedingt anhören!
Defunkt - Defunkt
Hannibal Records – HNBL 1301 – Stamper Matrixes: 1301 A, 1301 B
Deutschland 1980