Ich hatte einen Schulkameraden, der in Sichtweite zum Haus unseres verhassten Klassenlehrers wohnte. Albern wie wir waren, riefen wir dem Pauker ständig ein Taxi und beobachteten mit dem Fernglas, wie er mit Bademantel bekleidet die Tür öffnet, um dem armen Fahrer zu erklären, dass er nirgends mehr hinfahren wolle. Manchmal tauchte hinter ihm im Türrahmen auch seine „Cherie“ auf – mit mittelgradig zerzauster Frisur, ebenfalls im Bademantel. Wir waren damals die typischen Dorfrabauken, die sich auch beim illegalen Pflücken von Kirschen erwischen ließen und es wahnsinnig lustig fanden. Noch aufregender war aber das Röhren-Radiogerät, welches seine Eltern meinem Komplizen überließen und das nutzten wir ausgiebig während unserer Zusammenkünfte. Es stand auf einem Tisch im Lausbubenzimmer. Dort hörte ich zum ersten Mal die Zeilen “He had white horses and ladies by the score, all dressed in satin and waiting by the door….ohhh what a lucky man he was….….“ Es war meine erste Begegnung mit ELP und die wurde sehr nachhaltig. Ich möchte mich hiermit förmlich bei allen Taxifahrern für unsere Dummheiten entschuldigen. Beim Lehrer allerdings nicht, denn er war ein veritabler Blödmann.
„Lucky Man“ ist ein Song vom Debut-Album einer der vielen so genannten Supergroups der Siebziger. Keith Emerson kam von The Nice, Greg Lake von King Crimson und Carl Palmer von Atomic Rooster. Die Melange aus Rock, klassischen Elementen, Balladeskem und keyboardlastigen Passagen war neu und aufregend. Es folgten viele weitere Alben, wobei nach meinem Empfinden die musikalische Qualität nach „Brain Salad Surgery“ stetig abnahm. Neu war der Einsatz eines Moog Synthesizers, der besonders gegen Ende von „Lucky Man“ in ganz tiefe Register abtaucht. Mit „Just take a pebble“ legten ELP eine kleine Suite vor, die nicht nur abwechslungsreich ist, sondern auch klanglich zum Feinsten gehört, was es auf Vinyl gibt. Die Akustikgitarre und das Schlagzeug fügen sich homogen ins Klangbild, die Bass-Drum ist optimal aufgenommen (Sie glauben nicht auf wie vielen Scheiben das nicht der Fall ist) und der Mittelteil suggeriert dem Hörer, sich in einer Höhle zu befinden, in der ein paar Tropfen Flüssigkeit plätschernd auf eine Wasseroberfläche fallen. Die Pianopassagen im Stück sind große Kunst, Greg Lakes Gesang kommt warm, weich und voll. Diese Aufnahme ist ein analoges Prachtstück und kommt leider nur als englische Erstpressung voll zur Geltung. Die deutsche Pink Island Ausgabe fällt klanglich deutlich ab. Das Stück „Tank“ beinhaltet ein Schlagzeugsolo, welches Viele dazu animierte Schlagzeug zu üben oder zu lernen – das wird gemeinhin dem Stück „Moby Dick“ von der Led Zeppelin II nachgesagt, was sicher auch eine gewisse Berechtigung hat, zumal John Bonham ein richtig guter Drummer war, aber Carl Palmer war es, dem jeder nacheifern wollte. Mit „Knife Edge“ gibt es nochmal einen richtigen Kracher auf dieser LP und der kraftvolle dynamische Klang kann atemlos machen. Das alles gepaart mit kompositorischen Geistesblitzen macht dieses Album zu einem Muss. Ohne Wenn und Aber. Tasten Sie sich langsam heran, indem Sie zuerst „Just take a pebble“ spielen, dann „Lucky Man“ gefolgt von „Knife Edge“ und „Tank“ bevor Sie sich „The three Fates“ anhören, weil das etwas stärkerer Tobak ist. Auch ELP-Hasser kommen hier akustisch auf ihre Kosten.
Emerson, Lake + Palmer
Island Records ILPS 9132 Pink Label – Stamper Matrix: A-2U/B-1U
England 1970
Noch andere ELP-Titel hätten es verdient erwähnt zu werden, beispielsweise „Trilogy“ mit sehr ausgewogenem und wohligem Klang und das Live-Album „Pictures at an Exhibition“ mit etlichen Emerson-Kapriolen und phantastisch aufgenommenem Schlagzeug.
Aber „Tarkus“ sticht neben dem Debutalbum mehr heraus. Das Titelstück ist ein kühner Ritt auf scharfer Klinge durch Rock-, Jazz- und Klassikgefilde, mit berstendem Schlagzeug, druckvollem Bass und Keyboardlinien die direkt ins Hirn knallen. Die Aufnahmegüte dieser LP ist – englische Erstpressung vorausgesetzt – absolut superb und das ist auch ein Verdienst des genialen Mastering Ingenieurs George Peckham, der sich in den Auslaufrillen vieler LP’s mit Kürzeln wie „Porky“ oder „Pecko“ oder „Pecko Duck“ (und einigen anderen) verewigt hat. Von ihm wird hier im Buch noch oft die Rede sein.
Als Dorfjunge aus einer sozialen Randgruppe passt man nicht gerade ins Beuteschema der zu Schönheiten mutierten Bauerntöchter, die oft zahlreich auf Partys erschienen, von denen am Ende keiner mehr so recht wusste, wer sie eigentlich veranstaltete. Im Ernstfalle war es immer derjenige, der die Räumlichkeiten zur Verfügung hatte, weil die Eltern entweder gleichgültig gegenüber adoleszenten Verwüstungen waren oder schlicht und einfach woanders weilten. Nun ist „Tarkus“ sicher keine tanzbare Party-LP, hatte aber einen unschlagbaren Vorteil: das Titelstück erstreckt sich über eine ganze Plattenseite und man(n) hatte knapp 20 Minuten Zeit, sich durch Annäherungsversuche bei der Weiblichkeit lächerlich zu machen und gleichzeitig angesichts der progressiven Musik so zu tun, als sei man vom Intellekt, statt vom Trieb gesteuert. Palmers Bass Drum schien zu schreien: „jetzt nimm sie schon in die Arme Du Trottel“ und Emerson's Keyboard-Orgien verdrehten die Sinne dermaßen, dass Sitte und Anstand etwas waren, was man weit außerhalb dieses magischen Ortes zu pflegen vermochte, aber hier und jetzt war Krieg. Pärchen bildeten sich, um in wilder Knutscherei den verzweifelten Versuch zu unternehmen, das Traktat der Musik zu ignorieren und so zu tun, als sei alles romantisch, um bloß nicht zeigen zu müssen, dass die Selbstzüchtigung außer Kontrolle geriet. Die zahlenmäßige Balance zwischen Männlein und Weiblein führte unweigerlich dazu, dass Jeder am Ende Jemanden abbekam, und sei es nur aus Verzweiflung, weil man bei der Verteilung übrig bliebt. Schönheit relativiert sich in der Melange aus Musik und Hormonen. In der Hitze des Gefechts waren auch sich andeutende Damenbärte oder dezenter Schweißgeruch keine Hindernisse und überall blitze alkoholvernebelte Anmut auf, gerade so wie bei der Reihe angetrunkener, schunkelnder Mädels auf der Dorfkirmes, die dann irgendwann hinter dem Festzelt dem Test erliegen, ob jemand scharf auf sie ist. Auch da wird ja üblicherweise nicht so genau hingeschaut. Moralapostel, die ernsthaft erwarten, dass zölibatäre Absichten in diesem Alter auch nur ansatzweise den Verlockungen trotzen könnten, mäandern in ihren Träumen sicher als Geist der vergangenen Weihnacht umher. Dieser mächtige Gong in der Anfangssequenz von Tarkus – mit dem bezeichnenden Titel „Eruption“ ist der Startschuss und die Uhr beginnt zu ticken…..
King Crimson hatten sich 1970 mit „Lizard“ und „In the wake of Poseidon“ schon teilweise ausgetobt und 1971 „Islands“ nachgeschoben, die gegen „Tarkus“ wie ein laues Lüftchen an einem Sommertag wirkt. Yes waren eventuell noch auf Augenhöhe mit ELP mit Ihrem 1971er Album „Fragile“, welches aber ein wenig spröde klingt und eine leichte, undefinierbare Kühle hat, wie man auf „Roundabout“ gut hören kann. Einzig „Heart of the Sunrise“ reißt zumindest passagenweise mit. „Tarkus“ war das Art-Rockalbum im Jahre 1971 und garantiert nicht sehr weit verbreitet, weshalb die Möglichkeit noch groß ist, ein sehr gut erhaltenes Exemplar auftreiben zu können. Die englische Pressung gibt es vergleichsweise günstig auf drei, zwei eins, meins - gönnen Sie Ihrer Anlage diese LP!
Emerson, Lake + Palmer - Tarkus
Island Records ILPS 9155 Pink Rimmed Palm Tree Label
Stamper Matrix: A-1U Porky, B-1U Pecko
England 1971
Wenn man in Phoenix/Arizona auf den einzigen Berg schaut, der in unmittelbarer Nähe ist, denkt man, da läge ein Kamel; die Proportionen und die Silhouette wecken diese Assoziation. Und deswegen heißt der Berg auch Camelback Mountain. Das ist Pragmatismus in Reinkultur. In Phoenix gehen die Uhren irgendwie anders. Es ist meistens heiß. Sehr heiß. Und wer einen Spaziergang macht oder mit dem Fahrrad herumfährt, ist entweder ein Trottel oder ein Ausländer oder Beides.
Kleine Oasen waren die wenigen Plattenläden, weil die Klimaanlagen nicht auf Schockfrosten eingestellt waren und eine angenehme Kühle boten. Da konnte man es aushalten – stundenlang. Und in Platten wühlen. Und Fachgespräche führen. In einem dieser Läden lief eine völlig ungewohnte Musik. Es war kein Jazz, aber auch kein Rock, mit lateinamerikanischen Rhythmen und Passagen, die schlicht faszinierend waren.
Ich wollte zunächst nicht glauben, dass es eine Chick Corea LP war. Wer ihn von Return to Forever kennt, muss sich bei diesem Doppelalbum auf neue Hörgewohnheiten gefasst machen. Rumba, Salsa und Flamenco dominieren in jazzigem Flair – allerdings auf allerhöchstem Niveau.
Die Band interagiert fantastisch und wer sich „My Spanish Fantasy No.2“ anhört muss denken, dass der Drummer Steve Gadd ein Außerirdischer ist. Die Art wie er die Pianoläufe Corea’s adaptiert und unterlegt, den Rhythmus vorantreibt, improvisiert und am Ende alles wieder zusammenführt, gehört für mich zu den Sternstunden aufgenommener Musik. Auch auf Steely Dan’s „Aja“ hat er einen solchen Moment, wenn auch erheblich kürzer. Stanley Clarke spielt den Akustikbass auf „My Spanish Heart“ und verzaubert ebenso mit genialen Momenten. Der Sound ist zwar etwas kompakt, aber dennoch dynamisch und facettenreich. Gemastert hat der geniale Robert „Bob“ Ludwig „RL“ (von dem hier im Buch auch noch öfter die Rede sein wird).
Chick Corea – My Spanish Heart
Polydor Records PD-2-9003, 2672 031 – Stamper Matrix: CP-3, CP-2, CP, CP-2 Masterdisk, RL – Red Label USA 1976
Besonders im Herbst spürt man in Kalifornien die Teufelswinde; die Santa-Ana-Winds. Sie erstrecken sich von den Rocky Mountains bis hinab in die Sierra Nevada. Das Wetter wird schwül und das Leben verlangsamt sich zwangsläufig, weil der Organismus irgendwie in den Schonmodus schaltet. Das ist eine gute Zeit, um sich intensiver um Musik zu kümmern, weil schon der reine Gedanke an Hektik die Menschen erschöpft. Steely Dan besangen die Santa-Ana-Winds in ihrem Titel „Babylon Sister“ auf dem Album „Gaucho“, einem Anwärter auf das kühlste und distanzierteste Steely Dan-Album. Während eines solchen kalifornischen Herbstes fiel mir ein Doppelalbum einer Künstlerin in die Hände, die bereits seit Jahren gute bis sehr gute Alben ablieferte. Joni Mitchell’s Meriten im Musikgeschäft bedürfen keiner separaten Erwähnung. Diese Frau hat eine ganze Reihe unbestrittener Meisterwerke abgeliefert. In diesem Buch beschränke ich mich auf zwei Titel, obwohl auch „Mingus“, „Heijra“ und „The hissing of summer lawns“ es genauso verdient hätten, ausführlich beleuchtet zu werden. „Don Juan’s…“ ist speziell und nicht unbedingt leicht zugänglich.
Joni taucht hier erstmals tiefer ein in Jazz- und lateinamerikanische Rhythmen, was viele Kritiker zu einem Verriss des Werkes animierte. Wie kurzsichtig das war! Der musikalische Kosmos ist weit ausgedehnt, wenn man sich darauf einlässt. Klanglich macht die US-Pressung auf dem Asylum-Label enormen Eindruck, die Band ist – wie bei Joni üblich - hochkarätig bestückt (Weather Report!) und es gibt jede Menge Gänsehaut-Momente mit Läufen auf einem Fretless-Bass, realistisch eingefangenem Pianospiel und dynamischen Percussion-Passagen. Das längste Stück erstreckt sich über eine ganze Plattenseite; es fängt verhalten an mit Piano und Stimme, entwickelt sich aber zu einer orchestralen Suite, die einen unwiderstehlichen Sog ausübt. Alles wurde tontechnisch glänzend eingefangen und besitzt eine frappierende Dynamik.
Joni Mitchell – Don Juan’s Reckless Daughter
Asylum Records BB-701 – Stamper Matrix: A: SP 1-1, C: SP 1-2, D: SP (B-Seite hat keine Information)
USA 1977
Noch ein Kleinjuwel aus der Schatztruhe Joni Mitchells. Das „BG“ in der Auslaufrille steht für Bernie Grundman, der als einer der weiteren Meister der Mastering-Technik gilt. „Blue“ ist vorwiegend ein ruhiges, akustisches Album und enthält z.B. den Titel „This flight tonight“ mit dessen Coverversion Nazareth ein veritabler Hit gelang. Auch „River“ gehört zu den oft gecoverten Songs. Herbie Hancock hat es sich 2007 nicht nehmen lassen, ein Doppelalbum mit Coverversionen Mitchells einzuspielen und der Titel lautet „River – the Joni letters“. Auf Blue spielen einige Weggefährten der Protagonistin mit. Mit Stephen Stills und James Taylor gar zwei Ex-Liebhaber der Dame.
Der Klang ist organisch und detailliert, das Album klingt unglaublich ausgewogen und auch die sehr spezielle Singstimme Joni’s wurde perfekt konserviert. Blue ist ein unverzichtbarer Baustein einer jeden guten Sammlung und als US-Reprise BG auch klanglich top. Es kursieren Bootlegs von diversen Stücken aus der „Blue“-Ära von Joni Mitchell, so genannte Outtakes, die es nicht aufs Album geschafft haben. Kürzlich dürfte ich ein Re-Master eines Songs anhören (Hunter), der von einem der führenden Köpfe dieses Metiers angefertigt wurde und ich muss zugeben, dass die Klangqualität alles Andere in den Schatten stellt.
Blue verkaufte sich in den USA und England besser als die Vorgängeralben und Frau Mitchell hatte einfach Pech, dass kein größeres Publikum vorher auf sie aufmerksam wurde. Sie war als Act in Woodstock im August 1969 vorgesehen, schaffte es aber nicht aufs Festivalgelände, weil sie - wie viele andere auch - im knapp 30 km langen Mega-Stau hin zu den Feldern des Milchbauern Yasgur stecken blieb und schließlich den Auftritt aufgeben musste – den dilettantischen Veranstaltern sei Dank. Einige zu jener Zeit bekanntere Künstler wurden mit Hubschraubern zum Auftritt gebracht, Frau Mitchell blieb dieses Privileg jedoch verwehrt.
Joni Mitchell – Blue
Reprise Tan Label – MS 2038 – Stamper Matrixes: 2 BG, 2 BG
USA 1971
Im Film „Billy Elliott – I will dance“ geht es um einen Jungen aus einer englischen Arbeiterfamilie, der regelmäßig von seinem alleinerziehenden Vater zum Boxtraining geschickt wird. Da die Gemeinde nur eine Halle hat, müssen sich die Boxer und die Ballettmädchen den Platz teilen. Nach und nach wechselt Billy hinüber zu den Tänzerinnen und nimmt Ballettunterricht, natürlich ohne Wissen seines Erziehungsberechtigten. Gegen alle Widerstände – insbesondere als sein Treiben bekannt wurde – ging er seinen Weg und landete am Ende am „Royal Ballet“ in London. Vor den Augen seines stolzen Vaters tanzt er die Hauptrolle in „Schwanensee“ und die erhabenste Szene ist jene, in welcher Billy als stattlicher junger Mann zum orchestral aufschäumenden Hauptthema als Schwan auf die Bühne springt. Da lassen sich als Zuschauer kleine Tränen nur sehr schwer unterdrücken. Als Junge benutzte er in dem Zimmer, das er sich mit seinem älteren Bruder teilen musste, in dessen Abwesenheit unerlaubt den Plattenspieler und hörte insbesondere eine LP.
Die hieß „Electric Warrior“. Zu Zeilen wie „…..I was dancing when I was twelve….“ hüpfte der Knirps auf dem Bett herum. Es ist eigentlich ein leiser Streifen, ohne große Stars. Aber es ist ein sehr nachhaltiger Film.
Marc Bolan wurde von Tony Visconti als Straßenmusiker entdeckt. Die ersten LP’s sind interessante Anti-Folk-Versuche, teilweise schräg versponnen, aber auch kurzweilig. Mit „Ride a white Swan“ und kurz darauf „Hot Love“ landeten Tyrannosaurus Rex Chart-Hits, der Bandname wurde auf T.Rex kastriert und dem Ganzen der Glam-Rock-Stempel aufgedrückt. Marc Bolan bekam von den Marketingtypen der Plattenfirma den Perkussionisten Micky Finn zur Seite gestellt; aus rein optischen Gründen übrigens, da böse Zungen behaupten, dass Finn allenthalben leidlich Bongos spielen konnte. Dann waren T.Rex so etwas wie eine frühe Boy-Band. Kopf und Herz blieb Bolan, der leider viel zu früh bei einem Autounfall starb. Electric Warrior bietet Einiges – auch musikalisch! Insbesondere als englische Erstpressung klingt diese Scheibe phänomenal gut. Aber Achtung beim Jagen: es gibt noch eine andere A-2U/B-2U, die nicht die Kürzel des Mastering-Genies George Peckham in der Auslaufrille (dead wax) stehen hat. Die kam kurze Zeit nach der Erstausgabe in die Läden und fällt klanglich ab. Peckham hat sich auf vielen LP’s mit Kürzeln wie „Pecko“, „Porky“, „Pecko Duck“ u.a. verewigt und nur diese lohnen die Anschaffung.
T.Rex – Electric Warrior
FLY Records HIFLY 6 – Stamper Matrix: A-2U/B-2U – PORKY PECKO DUCK
England 1971
Das Original dieses Albums erschien 1971 auf dem Chrysalis-Label in England mit der Katalognummer ILPS 9145 und ist klanglich eine Katastrophe; der Sound dünn, stellenweise sogar blechern, den Bass kann man mehr erahnen als hören, das Schlagzeug ist verschwommen und alles klingt sehr anämisch. Es gibt Leute, die sich trotz der offensichtlichen Mängel nur das Original anhören, sozusagen wegen der Authentizität. In Deutschland kam die LP auf dem pinkfarbenen Island-Label in die Läden und auch diese Pressung sollte man lieber ignorieren. Ich war damals stolz wie ein Pfau auf meine deutsche Pink Island zu strammen 22 DM aus einem Plattenladen in Frankfurt, der Jahre später pleite ging. Meine damalige Freundin fand die Musik schräg, was mich aber nicht davon abhielt, die Platte ständig zu dudeln. Anfang der Achtziger hielt ich ein paar bescheidene Vorträge über die RCA Living Stereo’s und die Mercury SR’s mit klassischer Musik vor einem kleinen Kreis von Vinyljunkies in einem Hifi-Laden, der mir dafür state-of-the-art Equipment zur Verfügung stellte. Natürlich spielte ich ausschließlich Originale aus meinem Fundus vor und das Publikum war dankbar, diese seltenen Scheiben zu Gehör zu bekommen, um sich selbst eine Meinung zu bilden. Beim Aufbau und Soundcheck kam eine neue Lieferung Platten im Laden an und ich sah die MFSL Aqualung.
Ich habe sie auf der Stelle gekauft. Ohne zu wissen, was mich da erwartete, öffnete ich das Plastik, nahm die LP aus der Innenhülle und legte sie auf. Schon die ersten Takte des Titelstücks machten mich sprachlos.
MFSL stand (und steht) im Ruf, es mit den Reglern am Mischpult gerne zu übertreiben, insbesondere im Bassbereich. Ich kann bestätigen, dass dies völlig zutrifft. Ich besitze Dutzende MFSL’s und fast alle haben sie dieses Manko. Das schlimmste Beispiel aus jüngerer Vergangenheit ist „Brothers in Arms“ von den Dire Straits als 45-RPM Doppel-LP. Wie mittlerweile bekannt sein dürfte, haben die Leute bei Mobile Fidelty gebeichtet, dass Sie für viele Veröffentlichungen digitale Files als Ausgangsmaterial nutzen. Die Analoggemeinde schrie laut auf und mancher LP-Sammler gab zum Besten, dass ihm dies die Laune an den MFSL-LP’s vergraulte. Es heißt auch, dass viele Aufnahmen nicht mit halber Geschwindigkeit gemastert wurden, wie es die Bezeichnung „Half Speed“ eigentlich versprach. Wie dem auch sei: viele MFSL’s sind klanglich herausragend, ob nun als Mogelpackung oder nicht. Natürlich kann man angesichts der Preise schon mal ein wenig sauer sein, letzten Endes aber zählt das Ergebnis.
Im Umkehrschluss machen diese basslastigen MFSL-LP’s auf etwas weniger hochwertigen Anlagen ein bisschen mehr Eindruck, auf besserem Equipment jedoch stört es gewaltig.
Neben einem guten Dutzend anderer Titel ist „Aqualung“ eine der Ausnahmen. Zwar gibt es auch hier ein Stück, welches im Bassbereich dazu geeignet ist, die Hosenbeine flattern zu lassen (Cheap day Return), der komplette Rest ist allerdings top gemastert. Der Unterschied zu den Originalen ist dermaßen frappierend, dass man sich unweigerlich fragt, was Herr Burns (der Toningenieur) damals intus hatte, als er das Original masterte. Kürzlich kam ein weiteres von Steven Wilson gemastertes Re-Issue auf den Markt, welches durchaus empfehlenswert ist, weil es auch erheblich besser klingt als die alten „Schlappen“ aus den Siebzigern. Die MFSL toppt jedoch alles, weil sie noch dynamischer und detailreicher tönt. Alles kommt mit dem berühmten „Schmackes“ und hier hört man beispielsweise endlich einmal welch ein genialer Drummer Clive Bunker war. Es gibt noch zwei weitere Titel von Jethro Tull, die ich empfehlen kann, allerdings auch nur als englische Erstpressungen auf dem Pink Island Label: „This Was“ (das Debut) und „Stand Up“. Die darauf folgende „Benefit“ ist musikalisch interessant, als englische Chrysalis aber klanglich eher Richtung Mittelmaß angesiedelt. Bemerkenswerterweise klingt sie als deutsche Pink Island wesentlich besser. Glauben Sie mir wenn ich Ihnen sage, dass dies eine wirklich seltene Ausnahme ist! „Stand Up“ und „This Was“ – und mit Abstrichen auch „Thick as a brick“ als englische Erstpressung auf Chrysalis - hätten einen Platz im Buch verdient, ich habe mich aber für eine andere Jethro Tull LP entschieden, die billiger zu haben ist und durchgängig hervorragend klingt. Schauen Sie bitte unter „War Child“ nach.
Jethro Tull - Aqualung
Mobile Fidelity MFSL 1-061
USA 1981
Anfang der Siebziger musste ich ausgerechnet eine Freundin haben, die sehr weit weg wohnte. Um sie zu besuchen, lief ich mehrmals pro Woche gute 15 km einfache Strecke. Wenn ich Glück hatte, nahm mich jemand im Auto ein Stück mit, auf dem spätabendlichen Heimmarsch blieb mir das weitestgehend verwehrt. Lange Haare und eine Armeejacke schauten im Licht der Scheinwerfer wohl nicht sehr vertrauenerweckend aus. Es gab eine Brücke über die Autobahn, die an den jeweiligen Anfängen links und rechts dicht mit Bäumen bewachsen war und von der es hieß, man habe dort schon einmal eine Leiche im Unterholz entdeckt. Dieses Teilstück passierte ich besonders schnell. Ich marschierte also quasi unter Einsatz meines Lebens für ein Mädchen.
Eines Tages kam ich in ihrem Dorf an und betrat den Jugendclub, in dem wir uns öfter zu treffen pflegten, weil dort gute Musik lief. Ich sah sie in einem Nebenraum sitzend mit einem anderen Jungen knutschen. Durch die Gewitterwolken in meinem Gehirn hörte ich „Gypsy“ von Uriah Heep im Hintergrund laufen. Ich weiß noch wie dämlich ihre Ausrede war. Sie sagte sie habe nicht so früh mit mir gerechnet, weil ich sonst doch auch nicht so schnell laufen würde. An diesem Tag jedoch hatte ich doppeltes Glück. Erstens nahm mich jemand fast die ganze Strecke im Auto mit und zweitens wurde ich einen Irrtum los, an dem ich offensichtlich zu lange festhielt.
In der Sparte Hard und Heavy ist „Very `Eavy Very 'Umble“ ein Kandidat für die am besten klingende Rockscheibe. Die Dynamik ist frappierend. Über die Musik mag man geteilter Meinung sein, aber ich bin quasi damit aufgewachsen und habe mich an die Melange aus theatralischen Vocals, Orgel und strammem Bass nebst fettem Schlagzeug gewöhnt. Seinerzeit schrieb eine Kritikerin, dass sie einen Besen frisst, wenn diese neue Band Erfolg haben sollte – so schlecht fand sie den Vortrag. Und da hatte Sie das meiner Meinung nach schlechtere Folgealbum „Salisbury“ noch nicht einmal gehört. Es ist bis heute – 36 (!) Alben später – nicht überliefert wie der Besen schmeckte. Mir gefällt „Look at yourself“ auch gut, mit kleineren Abstrichen auch „Demons and Wizards“ und „Magician’s Birthday“. Achtung: nur die englische Vertigo Erstpressung bietet Killersound, das deutsche Pendant fällt stark ab, auch die spätere Veröffentlichung auf dem Island Pink Rim Palm Label. Die Platte ist teuer, aber ein Erlebnis.
Uriah Heep - Very 'eavy very 'umble
Vertigo „Swirl“ Label 6360 006 – Stamper Matrix: 1Y//1 und 2Y//1
England 1970
Unsere Schülerband verging sich damals an mehreren Rocktiteln. Wenn ich nur an deren Interpretation von „Love like a man“ von Ten Years After denke, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Der Sänger wollte unbedingt wie Ozzy Osborne klingen, was ihm lediglich bei einem Wort gelang und dieses Wort war „yeah“. Er war bereits mehrere Jahre älter als wir, da wohl einige „Ehrenrunden“ vorangingen. Statt mit den Schülerinnen unserer Klasse zu flirten, hatte es ihm die Englischlehrerin angetan, welcher er ab und zu selbst geschriebene Texte zuspielte, von denen er hoffte, dass sie ihr Herz erweichen würden. Das Wort „yeah“ kam darin oft vor. Wahrscheinlich baute er schon für den Fall vor, dass sie ein Vorsingen verlangt. Im Schulhof hielten die „Bandmitglieder“ Schallplatten unter dem Arm, was zwangsläufig ihre Professionalität unterstreichen sollte.
Auf einem der Cover sah man eine Art Geistergestalt in schwarzem Gewand in einer Umgebung mit recht blassen Farben…...
......es war das Black Sabbath Debut-Album, der weithin als Erfinder des Heavy-Metal Rock bezeichneten Truppe um den charismatischen Lead-Sänger Ozzy Osborne. Auch wenn man es nicht unbedingt auf Anhieb vermuten würde, bietet die LP musikalisch ansprechende Kost. Sie ist gut durchhörbar und zieht klanglich nahezu gleich mit Uriah Heep’s Very eavy…aber nur auf der allerersten englischen Pressung – diese erkennt man an dem Zusatz „A Philips Record“ auf der weißen Seite des Labels auf der 6-Uhr-Position. Ich besitze sowohl diese Erstpressung, als auch die Zweite und ein späteres Re-Issue (welches gar nicht mal so schlecht ist). Schon der Anfang mit Gewitter und Regen klingt auf der UK-Erstpressung wesentlich realistischer als auf allen späteren Pressungen, der Klang hat Tiefe und Gewicht. Saubere Exemplare sind leider extrem teuer. Das Folgealbum „Paranoid“ fällt klanglich deutlich ab, wenngleich es musikalisch betrachtet sehr interessant ist. Aber es gibt einen wirklichen Geheimtipp: für wenige Euro gibt es einen Black Sabbath-Sampler mit dem Titel „Attention“ auf dem blauen Fontana-Label. Die LP enthält Stücke vom ersten und zweiten Album und klingt hervorragend – sogar als deutsche Pressung. Unbedingt anhören!
Black Sabbath – Black Sabbath
Vertigo „Swirl“ Label VO 6 – Stamper Matrix: 1Y//1 und 2Y//1
England 1970
Als der Streit um den Ausbau des Frankfurter Flughafens noch nicht eskalierte, fanden im Speckgürtel dieses Molochs interessante Partys statt. Die besten davon erlebte man bei den damals schon gut Betuchten im Garten, vor den Swimmingpools und den vom Gärtner geometrisch exakt geschnittenen Büschen. Adoleszente Genießer des Reichtums ihrer Eltern ließen Joints kreisen und die Mädels schmachteten diese coolen Typen fast durchgängig an. Normalo-Musik passte nicht zur Arroganz der Gastgeber, die fast beiläufig den Lauf der Welt zu manipulieren und die Zeit anzuhalten schienen. Zumindest taten sie so, bis der morgendliche Schulalltag sie wieder weitestgehend auf Normalmaß stutzte.
Zur musikalischen Untermalung der Bohème-ähnlichen Szenerie musste es schon so was wie Roxy Music sein, zumal Brian Ferry ein ideales Vorbild für die gespielte Coolness abgab. Und Amanda Lear natürlich. Sie schaut lasziv vom Cover und scheint zu fragen: warum ausgerechnet „For your pleasure“ wo es doch so viele Roxy Music Alben gibt?
Ganz einfach Amanda: weil es die Roxy Music Scheibe ist, die mit Abstand am besten klingt. Im Takt des albernen Geplätschers der Bikini-Schönheiten dröhnte laut aus den in der Terrassentür stehenden Boxen „Bogus Man“…….
Mit Ausnahme des Debutalbums und vielleicht „Viva Roxy“ klingen die frühen LP’s (Country Life, Stranded, Siren usw.) dieser Band auch gut bis sehr gut. „For your pleasure“ jedoch steckt sie alle in die Tasche. Die englische Erstpressung hat Drive und klingt vollmundig warm, mit Druck in den unteren Lagen. „Bogus Man“ und „In every dreamhome a heartache“ sind meine Favoriten. Diese bunte Mannschaft war anders als andere, aber nicht unbedingt eine Ansammlung begnadeter Musiker, wenn man einmal von Phil Manzanera absieht. Brian Eno war der Paradiesvogel und hat später mit Manzanera ein paar schöne Sachen gemacht, u.a. die LP „801 Live“ welche sehr empfehlenswert ist, insbesondere weil ein gewisser Simon Philips auf dieser Scheibe trommelt und der ist ein Naturereignis.
Roxy Music – For your pleasure
Island Pink Rimmed Palm Label - ILPS 9232 – Stamper Matrix: A-1 und B-1
England 1973
Es gibt Schallplatten bei denen ich mich frage, wie es sein konnte, dass ich sie erst so spät entdecke. Vielleicht liegt es daran, dass diese abseits allen Trubels Ihr Dasein fristeten, sprich weder Marketinggeschrei, noch Airplay oder Erwähnung in Magazinen jener Zeit erfuhren. Es gibt Musiker, die einfach keine Lobby hatten. Ein Mangel an Skandalen oder Skandälchen ist immer schlecht für die Plattenfirma und seltene Live-Konzerte ebenso. Mallard war so eine Truppe.
Als es in London am Piccadilly Circus noch einen großen Plattenladen gab (es war erst ein Virgin Megastore und danach HMV) war ich bei jedem Besuch in London Stammkunde dort. Es gab Neuerscheinungen, aber auch einen schönen Bereich mit gebrauchten LP’s. Als ehemaliger Linn-Fan flog ich öfter in die britische Metropole, um mir entweder Federn für das Subchassis des Plattenspielers LP12 zu holen, oder auch Tonabnehmer und Tonarme – die waren dort erheblich billiger als in Deutschland. Ein ständiger Reisebegleiter war eine Art hoch bauender Pilotenkoffer, in den exakt 20 LP’s passten und obendrauf eben noch Ersatzteile oder kleinere Plattenspieler-Komponenten. Die meisten LP’s holte ich in besagtem Laden, bevor ich die Linn-Händler heimsuchte. Eines Tages sah ich ein Cover an der Wand hängen, auf dem ein Eisberg zwischen zwei der typischen Felsen Arizonas emporragte. „In a different climate“ stand drauf. Das weckte mein Interesse und ich kaufte die LP. Welch glückliche Maßnahme dies doch war.
Manche nennen es Art-Rock was da 1976 hingezaubert wurde, böse Zungen sprechen von Country Pop - dabei ist die Musik dem Rock viel näher als bei anderen Art-Rock Bands wie Gentle Giant oder Yes oder -sic- Country Rock Bands zu jener Zeit. Das sind alles gestandene Vollblutmusiker, die sich in der Majorität aus Captain Beefheart‘s Magic Band rekrutierten, nachdem es kräftigen Streit mit Beefheart gab. Die LP lässt sich wunderbar durchhören, hat aber dennoch Ecken und Kanten. Kompositorisch ist das ganz groß; die vielen Tempi-Wechsel, Verschleppungen und Einsprengsel, alles baut auf einem soliden und variantenreichen Bassteppich und rhythmisch akzentuiertem Schlagzeugspiel auf. Das ist wunderbare Rockmusik in perfektem Klang. Die beiden Opener „Green Coyote“ und „I saw your face on someone else today“ sind der ideale Einstieg in den Mallard-Kosmos. Ich lehne mich weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass alleine diese beiden Titel auch den späten Steely Dan zur Ehre gereicht hätten. Ein weiteres Beispiel für eine wirkliche Top-Band die es nicht nachhaltig geschafft hat, einen soliden Bekanntheitsgrad zu erlangen. Unbedingt nachholen! Wikipedia schreibt dazu: Auf Mallards Grabstein könnte stehen: „Not bad, but not good enough“ (Nicht schlecht, aber nicht gut genug). Welch ein engstirniger Schwachsinn!
Mallard – In a different climate
Virgin Label – V 2077 – Stamper Matrix: A1 und B1
England 1976
Als Jugendlicher hatte man es nicht so einfach in der klebrig biederen Atmosphäre des kleinen Dorfes am Rande Frankfurts, in welchem ich zu jener Zeit mit meinen Eltern und meinem Bruder in einem Sozialbau wohnte. Als Katholik und von der Kirche unehrenhaft entlassener Messdiener war die Gemeinde Gleichaltriger für mich wie ein Fremdkörper. Aber es gab ein paar ganz wenige Ausnahmen; selbst ernannte Weltverbesserer, Hausbesetzer und Hippies. Einer davon war schon damals nonkonformistisch, was seine Eltern zur Verzweiflung trieb. Nihilismus war sein Lebenselixier. Er gab vor, ein wenig Ahnung von Motorrädern zu haben und wir versuchten unzählige Male meine 50er Maico zum Laufen zu bringen. Wenn es dunkel wurde, gaben wir regelmäßig auf und vertagten uns. Im Schuppen, der an das große Wohnhaus grenzte, gab es alte Möbel und Teppiche und Plakate an der Wand, auf denen so Sachen standen wie „Seid Sand und nicht Öl im Getriebe der Welt“. Wer weiß ob mein Möchtegern-Mechaniker nicht genau das auch mit meinem Moped veranstaltet hat?
Der Schuppen hatte Strom für Licht und 2 Steckdosen. Dort stand eine für die damalige Zeit veritable Musikanlage. Und gewisse Sachen zum Rauchen gab es auch. Rückblickend bin ich der Meinung, wir haben dort „Dark Side of the Moon“ gefühlte 1000 Mal bis zur Erschöpfung angehört und ich bin so manches Mal von dem Geräusch des Plattenspielers aufgewacht, wenn die Nadel immerwährend die Auslaufrille traktierte, weil sich der Tonarm am Ende der LP nicht automatisch anhob, wie dies bei vielen Modellen der Siebziger eigentlich der Fall hätte sein sollen. Der Schuppen war ein ferner Ort, abgelöst vom Treiben im übrigen Kaff und Trutzburg für uns Besserwisser. Richtig schön war das.
Ich habe eine Weile lang überlegt ob ich die DSOTM mit ins Buch nehmen soll. Scheint es doch so, als sei schon alles über das Werk gesagt, einschließlich diverser Mythen, die sich bei näherer Betrachtung als Unfug entpuppen. Ich kommentiere hier nicht die Musik, denn DSOTM gehört sicherlich zu den Meilensteinen im Schaffen von Pink Floyd und ist in meiner Sammlung Mitglied der Pink Floyd Big Six (Atom Heart Mother, Meddle, DSOTM, Wish you were here, Animals und The Wall) was die anderen Alben nicht abwerten soll, zumindest die früheren Werke. Alles was nach The Wall kam konnte mich nicht mehr wirklich begeistern. Von der DSOTM gibt es unzählige unterschiedliche Pressungen. Ich selbst besitze die LP 11 mal, wobei 5 davon UK-Pressungen sind, eine ist die US-Erstpressung, eine davon eine italienische Pressung, zwei sind aus Deutschland, eine aus Japan und eine ist die in jüngster Zeit erschienene Nachpressung. Ich hatte DSOTM als Mobile Fidelity Ausgabe (sogar als UHQR) und ich hatte die englische Erstpressung mit dem vollflächig blauen Prisma auf dem Label (A-2, B-2), auch „solid blue triangle“ genannt, die natürlich nur sehr teuer zu erstehen ist. Die Investition lohnt sich nur für hartgesottene Sammler aus eher nostalgischen Gründen, da ein klanglicher Mehrwert nicht auszumachen ist.
Sehr gelungen ist die jüngste Nachpressung, zumal hier die originalen Analogtapes als Basis dienten – so der Waschzettel – was ich mal so stehen lassen will. Die MFSL’s waren mir zu viel des Guten (das allgegenwärtige Bassproblem der MFSL’s), die etwas späteren UK-Pressungen klingen homogener. Überrascht hat mich die AMIGA, zumindest was die erste Seite betrifft. Man hört, dass die DDR-Tontechniker selbst Musiker waren und bei der Abmischung anders vorgingen. So hört man beispielsweise in „The great gig in the Sky“ das Piano am Anfang wesentlich deutlicher heraus und die Sängerin ausschließlich auf dem linken Kanal, dafür aber akzentuierter als auf jeder anderen Pressung. Die 2.Seite fällt klanglich ab, weil es schlicht und einfach an Bass fehlt, was besonders bei „Money“ deutlich wird. Der alte Egomane Roger Waters hat diese Ausgabe sicher nie gehört, sonst hätte er vor Wut geschäumt, dass sein Instrument untergeht. Über alles betrachtet klingt die japanische EMI/Harvest am besten. Ich könnte aber auch mit der jüngsten Nachpressung gut leben (was übrigens für die anderen Pink Floyd Titel auch gilt, die allesamt zu humanen Preisen erhältlich sind). Alan Parsons hat am Mischpult ganze Arbeit geleistet, umso mehr verwundert es, dass er seine erste Solo-LP „Tales…“ nicht annähernd auf dieses Niveau hieven konnte. Mit „I Robot“ hat er es besser gemacht, auch wenn diese LP klanglich nicht zu meinen Favoriten zählt (wirklich patschiges Schlagzeug), aber das ist eine andere Geschichte.
Pink Floyd – The dark side of the moon
EMI/Harvest Japan – SHVL 804 – Stamper Matrix: SHVL-804-A 1 und SHVL-804-B 1
Japan 1974
Neben „DSOTM“ und „The Wall“ musste ich „Wish you were here“ mit ins Buch aufnehmen. Natürlich ist der Titel plakativ, aber auf sympathische Weise frei von Mystik. Wir alle hatten schon Situationen in unserem Leben wo wir uns sehnlichst jemanden an unserer Seite wünschten; manche von uns beim Beten, um beispielsweise eine kritische Situation zu überstehen und andere wiederum aus Liebeskummer oder zur Trauerbewältigung.
End der Siebziger besaß ich als Fahranfänger einen ziemlich herunter gekommenen VW Käfer mit strammen 34 PS. Der war weinrot und ich malte mit Farbe ein „Peace“-Zeichen aufs Dach – sozusagen prophylaktisch, falls es zu Hubschrauber- oder Flugzeugangriffen feindlicher Nationen käme, die unschwer erkennen würden, dass ich Pazifist bin. Da ich in den Augen der Nachbarn schon immer ein Sonderling war, scherte mich das Dorfgetuschel einen feuchten Kehricht. Das Radio in meinem Friedensgefährt war von der schlichten Sorte und so verbaute ich noch zwei Koax-Lautsprecher in „freier Verkabelung“. Die gesamte Karosserie (die den Namen eigentlich nicht verdiente) konnte man getrost als Resonanzkörper bezeichnen, da es in allen Ecken wummerte, wenn ich zu laut aufdrehte – das Mini-Verstärkerchen geriet sehr schnell in den Clipping-Bereich, so dass ich eine Weile experimentieren musste, um die Grenze zwischen erträglichem Sound und Klangbrei zu erforschen. Einmal geschafft, erinnerte mich der Klang sehr entfernt an unser altes Grundig-Röhrenradio und ich fühlte mich wohl. Mein Käfer knatterte gemächlich die Straßen entlang und wenn zum Beispiel „Shine on you crazy diamond“ aus dem Radio tönte, war es als schaute ich in einen großen Tunnel vor mir, der eine ganze Weile durch Windungen und Kurven den Blick auf dessen Ende zu verbergen verstand. Es war Meditation beim Autofahren. Eines Abends stand ich an einer Ampel einer großen Kreuzung mitten in der Stadt. Mein Bruder saß neben mir und wir lauschten gedankenversunken der Musik, weshalb ich erst mit einer gewissen Verzögerung losfuhr, als die Ampel grün wurde. Im Moment des Anfahrens raste ein anderes Auto sehr dicht von links nach rechts an uns vorüber; der Fahrer dachte sich wohl, dass er es noch bei „gelb“ über die Ampel schaffen würde. Wäre ich einen Augenblick früher losgefahren, hätte es uns nicht mehr gegeben. Die Musik hat uns das Leben gerettet, auch wenn mein jüngerer Bruder sehr viel später von Depressionen heimgesucht wurde und als letzten Ausweg den Freitod sah. Ich muss sehr oft an diesen einen speziellen Moment mit ihm denken. Wish you were here……
Der Text des Titelsongs lässt genügend Raum für Interpretationen und es heißt, der Song sei ein Ruf nach der Rückkehr des wegen psychischer Probleme ausgeschiedenen Bandmitglieds Syd Barrett, wobei sich auch „Shine on you crazy diamond“ an den 2006, also 31 Jahre nach Veröffentlichung der LP, verstorbenen Musiker richtet. „Wish you were here“ klingt als englische Erstpressung einfach zu gut um es nicht in die Liste zu schaffen. Ich habe sie auch mit der jüngst erschienenen Nachpressung von den analogen Masterbändern verglichen und denke sie ist minimal besser – das hört man an der Akustikgitarre auf dem Titelstück am Anfang – der Korpus des Instrumentes erklingt einen Tick natürlicher. Auf den rockigen Nummern wie „Have a cigar“ oder „Welcome to the machine“ gibt es so gut wie keine Unterschiede, auf dem Titelstück bilde ich mir ein, die im Studio hingezauberte räumliche Atmosphäre zu Beginn ist auf dem Original etwas breiter und tiefer angelegt, auf der Nachpressung wiederum hat man dezent beim Bass nachgeregelt. Alle diese Nachpressungen sind erstaunlich gut geworden, was ich so nicht erwartet habe. Neben dem kompletten Arsenal eben jener Nachpressungen besitze ich von fast allen Pink Floyd-Aufnahmen die englischen Erstpressungen, außer von den beiden ersten LP’s, weil mir die Preise für ziemlich abgenudelte Columbias einfach zu hoch sind. Was die Musik betrifft, bin ich auch geteilter Meinung. „Piper at the gates of dawn“ hat ein paar magische Momente, „A saucerful of secrets“ ist abgedrehter, aber auch anstrengender. „More“ ist klanglich o.k. aber auch nicht mehr, „Ummagumma“ eher zwiespältig, wobei mir die Studioaufnahmen etwas besser gefallen als die Live-Stücke. Auf „Atom heart mother“ haben sie irgendwie den Drum-Sound vermurkst und auf „Meddle“ ist es eine merkwürdige Kompaktheit im Sound, die eine klanglich bessere Einstufung verhindert. „Obscured by Clouds“ ist ein richtiges Rockalbum geworden, klingt aber ähnlich wie „More“. „Animals“ ist musikalisch top, der Sound ist ein wenig „trocken“ im Vergleich zu den drei vorgestellten Werken, trotzdem höre ich sie oft. Über „The final cut“, „A momentary lapse of reason“, „Divison Bell“ und “Endless River” decke ich den Mantel des subjektiv gnädigen Schweigens.
Pink Floyd – Wish you were here
Harvest SHVL 814 – Stamper Matrixes: A1, B3
England 1975
Der Egomane Roger Waters nörgelte ununterbrochen am Layout des Covers herum, bis es seine endgültige Fassung hatte. Die ersten Exemplare führten ihn in den Credits nicht zuerst auf, was für ihn natürlich ein Unding war. Anfangs gab es auch viele Exemplare, die keinen Hinweis auf die Band oder den Titel des Albums hatten, was von EMI aber schnell geändert wurde, indem bald ein selbsthaftender Plastiksticker die Front zierte. Einem Freund zum Gefallen kaufte ich hierletzt sündhaft teure Tickets für die große „The Wall“ Show des Herrn Waters im ehemaligen Waldstadion zu Frankfurt. Der Mann hat ein Trauma, welches dem Zuhörer auf fast allen Schallplatten akustisch begegnet, die maßgeblich von ihm komponiert oder produziert wurden. Kriegsgeräusche. Seien es nun Gewehrschüsse oder Kanonen oder Hubschrauber oder Bombenexplosionen. Sein Vater starb im zweiten Weltkrieg und man muss Herrn Waters einerseits Respekt zollen, dass er nicht vergisst. Andererseits übertreibt er es jedoch manches Mal und so war es auch auf dem Konzert. Als „Run like hell“ an der Reihe war, brüllte er ins Mikro: „and this one is especially for you….“. ich weiß nicht ob er das auch bei seinem Konzert in Berlin an der Mauer machte, in jenem Moment war es jedoch ein wenig peinlich. Nicht für uns, sondern für ihn.
„The Wall“ ist auch durchsetzt mit Anspielungen, Geräuschen und Texten zum Thema. In „Mother“ fragt er: „Mother do you think they drop the bomb?“ – im Vorspiel zum wohl bekanntesten Stück des Albums halb kritisch: “Daddy's flown across the ocean. Leaving just a memory. Snapshot in the family album. Daddy what else did you leave for me? Daddy, what'd 'ja leave behind for me?!? All in all it was just a brick in the wall.”
Natürlich hat er gleichzeitig ein wenig seine Schulzeit mitverarbeitet, an der Seite einer alleinerziehenden Mutter und Lehrern, die er hasste. Die Kriegsmetaphern mit dem Hubschrauber und die Maschinengewehrsalven tun ihr übriges. Auf DSOTM schon erklang der Absturz eines Flugzeuges, gefolgt von den Schritten eines Gehetzten, bis sich alles im Gebimmel unzähliger Uhren und Wecker auflöst. Waters’ Soloalben greifen manche Themen wieder auf, etwas verfremdet oder verformt. Was auch immer nach Beendigung der Aufnahmen von „The Wall“ wirklich geschah, sei dahingestellt. Für mich steht fest, dass Bandmitglieder wie ein David Gilmore einfach die Schnauze voll hatten von ihrem egomanischen Kollegen.
Von “The Wall” gibt es etliche Millionen Kopien, was umso mehr erstaunt, als dass es verdammt schwierig ist, ein sauberes Exemplar zu finden. EMI war auf diesen Megaseller gut vorbereitet und hat diverse Matritzen gefertigt, die in unterschiedlichen Presswerken gleichzeitig zu Schallplatten wurden. Sammler sprechen von 6 bis 11 Stamper Matrixes die als Erstpressungen gelten. Im Internet findet man interessante Artikel dazu, allerdings auch viel Absurdes. The Wall hat eine völlig andere Tonalität als z.B. „DSOTM“ oder „Wish you were here“, was die Vermutung sehr nahelegt, dass hier mit Digitaltechnik gearbeitet wurde. Weithin gilt Ry Cooder’s „Bop till you drop“ als erste Digitalaufnahme. Die Platte entstand auch 1979. Im Vergleich zu „The Wall“ hört man auf der Ry Cooder LP aber den Digitaleinfluss wesentlich deutlicher. Insofern ist dem Toningenieur Doug Sax ein großes Lob auszusprechen, enthält „The Wall“ doch viele wunderbar homogene „analoge“ Teile. Alleine Seite 3 mit „Hey You“, „Is there anybody out there“ und „Comfortably Numb” ist klanglich ein Fest, wenn man die richtige Pressung besitzt. Ich besitze 7 Exemplare dieses Albums in unterschiedlichen Pressungen und der englischen „Erstpressung“ gebührt der Thron. Was schön ist: die kürzlich erschienene Neuauflage kommt sehr dicht an die Erstpressung heran! Nach dem Hickhack um die Credits auf dem Cover und anderen Animositäten des Egoisten Waters kam es wie bereits erwähnt zum Bruch und The Wall kann somit als Pink Floyds Schwanengesang gelten – zumindest was die Urbesetzung angeht (wenn man mal von Syd Barrett absieht).
Pink Floyd – The Wall
Harvest Label SHDW 411 – Stamper Matrix A-2U, B-2U, A-3U, B-2U
England 1979
Als noch viele Amerikaner in Deutschland stationiert waren, gab es einen US-Radiosender in der Nähe unseres Wohnortes. Der hieß AFN (American Forces Network). Der Sender strahlte in unserem Dorf dermaßen stark ein, dass man ihn an manchen Tagen sogar leise in einem Kochtopf hören konnte, der auf einem Elektroherd stand. Wolfman Jack war der durchgeknallte Moderator, der Sachen abfeuerte, die wie Kometen in die deutsche Musikszene knallten. Die „Hits“ in unserem Lande wurden von Pretiosen wie „Mendocino“ von Michael Holm und „Das Mädchen Carina“ von Roy Black oder „Es geht eine Träne auf Reisen“ von Christian Anders repräsentiert. An frankophilen Songs boten sich „Sugar, Sugar“ von den Archies und „Eloise“ von Barry Ryan an. Ein kleiner Lichtblick war da schon „Venus“ von Shocking Blue. AFN aber schoss solche Granaten ab wie „American Woman“ von Guess Who, „Spill the Wine“ von Eric Burdon + War, „Green-Eyed-Lady“ von Sugarloaf oder auch „All right now“ von Free.
Ich musste den Sender heimlich spätabends unter der Bettdecke hören, während über mir im Doppelstockbett mein Bruder schlief und die Eltern im Wohnzimmer mit rauchenden und saufenden Nachbarn Karten spielten. Mein winzig kleines Transistorradio neigte wegen der provisorischen Wurfantenne dazu, die Senderfrequenzen zu verlieren, weshalb ich öfter nachjustieren musste. Im Grunde konnte ich keinen Song wirklich durchhören, aber das, was ich hörte, war toll. Diese Mischung aus für mich exotischem Musikmaterial und dem Gefühl jeden Moment erwischt werden zu können, war elektrisierend. Klar war ich morgens hundemüde, wenn es wieder zur Schule ging, aber das war mir egal. Eines Abends lief ein Song der anders war. Er wurde an den Tagen danach oft wiederholt und ich versuchte zu verstehen, was da gesungen wurde. Irgendetwas mit Loch und Liebe (ich weiß wie das auf Sie wirken mag, aber mein Englisch war zu jener Zeit sehr ausbaufähig). Mein verbotenes Treiben bekam dadurch noch etwas Verruchteres. Aber das so etwas im Radio laufen darf? Bei den Amis? Irgendwann kam ich dahinter, dass es „Whole“ und nicht „Hole“ hieß. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich die Möglichkeit hatte die Single „Whole lotta love“ zu erstehen. Die 5 DM mussten erst verdient werden und die Höhe meines Taschengeldes war nicht dazu angetan, großartige Sparpläne zu schmieden, um nicht zu sagen, dass es praktisch nicht vorhanden war. Als ich sie endlich hatte, wurde sie totgefräst. Jene Single und eine Single von Santana (Samba Pa Ti) teilten sich ihr Schicksal – irgendwann hatte ich beide Titel regelrecht übersatt und weil sie auch abgenutzt waren und knisterten wie ein Lagerfeuer, warf ich sie eines Tages genervt Richtung Fenster – Samba Pa Ti blieb tatsächlich im Rollladenkasten stecken (billigstes Pressspan in unserer Sozialwohnung), Whole Lotta Love zerschellte. Mea culpa Jimmy, Robert, John Paul und John …..
Die englische Erstpressung dieses Albums auf dem Atlantic red/plum Label klingt besser als die meisten US-Pressungen, aber es gibt eine Ausnahme und nach dieser sollten Sie Ausschau halten: es ist die US-Pressung mit den Initialen von Bob Ludwig in der Auslaufrille. Nur wenn Sie dort das Kürzel „RL“ entdecken, halten Sie ein Kleinod in den Händen. Der Klang ist extrem dynamisch, die Bassläufe vollmundig, das Schlagzeug treibend. Keine andere Pressung hat diese Meriten, was auch für die sehr teuer gehandelte Nachpressung von Classic Records gilt, die ich eine Weile lang besaß, bis mir die hier beschriebene US-Pressung in die Hände fiel. Der Megaseller Led Zeppelin IV klingt sehr anständig als englische Erstpressung, Led Zeppelin III fiel bei den Fans mehr oder weniger durch, weil Seite 2 doch eher Zep-untypische Folkelemente enthält. Ich mag die LP trotzdem und irgendwie hat sie sich zu meinem Favoriten gemausert. Physical Graffiti ist teilweise interessant, klingt aber in jeder mir bekannten Pressung nicht wirklich audiophil. Houses of the Holy ist als englische Erstpressung ebenso anständig, aber klangtechnisch macht die US Zep II RL das Rennen. Es gibt Nachpressungen die erst kürzlich (2016) unter der Regie von Jimmy Page entstanden. Mit diesen kann man gut leben, weil sie etliche Sünden wie auf dem klanglich grausam komprimierten Sampler „Mothership“ vergessen lassen. Preislich halten sie sich auch noch im Rahmen. Greifen Sie zu, sie werden es nicht bereuen.
Led Zeppelin – II
Atlantic Label – SD 8236 – Stamper Matrix: RL
USA 1969
Ich bin einer der typischen Beatles-Spätentdecker. Die Band rechnete ich immer dem Kulturfundus der Generation vor mir zu, was im weitesten Sinne historisch betrachtet auch stimmt. Ergo tauchte ich gedanklich nie ernsthaft in frühe Werke der Pilzköpfe ab, um mich damit auseinander zu setzen. Zu diesen Alben fehlt mir auch heute noch der rechte Zugang, Substanz gewinnt das Ganze in mir erst mit manchen Songs auf „Rubber Soul“ oder „Revolver“. Klassiker hin oder her interessierte mich dabei nicht wirklich. Während der Schulzeit rechnete sich unsere „Gang“ eher den Fans der Rockbands zu (außer den Rolling Stones, die uns nicht hart genug waren), die Beatles-Fans waren die geächteten Anderen, wobei wir regelmäßig zugeben mussten, dass wir auf Partys genauso sehnsüchtig auf „Hey Jude“ warteten wie die anwesenden Mädels, aus rein pragmatischen Gründen natürlich…..
Sgt.Pepper hielt ebenfalls erst spät Einzug in mein Musikleben, war aber bereits aus ganz anderem Holz geschnitzt. Ich habe mich auch wirklich bemüht, die fast heilige Verehrung von manchen Beatles Fans für das „White Album“ zu verstehen. Ja, es strotzt vor Kreativität, hat aber auch Längen bzw. Durchhänger, vom grässlichen Revolution No.9 ganz abgesehen.
Es gibt unzählige Re-Issues der Beatles Alben. Auf LP und CD. Stereo und Mono. Es gibt sogar eine teure Mono-Box, die klanglich enttäuscht. Es gibt eine MFSL-Box deren LP’s einigermaßen anständig klingen und es gibt die Arbeiten von Giles Martin, dem Sohn des verstorbenen ehemaligen Beatles-Producers George Martin. Und dieser Mann hat ein goldenes Händchen und sehr gute Ohren.
Einige Jahre vor dem Re-Master der Sgt.Pepper’s erschien schon eine Doppel-LP mit dem Namen „Love“. Es war eine Auftragsarbeit für den Cirque du Soleil und die Beatles-Gemeinde schrie förmlich auf, weil sich ihre heiligen Originale nicht 1:1 auf den LP’s befanden, sondern durch Soundschnipsel (alle aus Beatles Alben und teilweise etwas verfremdet) miteinander verwoben waren. Aber der Sound war unglaublich – ich mag z.B. Abbey Road sehr und auf der Love Doppel-LP konnte ich das erste Mal „Come together“ mit einer Wucht hören, die sprachlos machte. Oder die Streicher auf „Eleanor Rigby“ in nie gehörter Plastizität. Es gibt noch viele andere Beispiele. Die Doppel-LP ist zu lächerlichen Preisen erhältlich. Die CD und DVD-A für noch weniger Geld. Es ist ein wahres Schnäppchen. Neben einem kürzlich erschienenen Sampler aller Nummer 1 Hits der Beatles, der auch von Giles Martin gemastert wurde und wirklich toll klingt (der Titel lautet „1“), kam 2017 das Remaster der Ikone „Sgt.Peppers…“ auf den Markt. Es ist eine neue Stereo-Abmischung, aber Martin tat gut daran, den musikalischen Charakter der Platte zu erhalten, statt etwas völlig Neues zu formen. Damals war Mono das Medium Nummer 1 und noch heute schwören Beatles Fans auf die Monoaufnahmen. Stereo war ein „Abfallprodukt“ und entsprechend nachlässig ging George Martin auch mit den Umschnitten um. Ping Pong Stereo-Effekte sind nur ein Beispiel von Vielen. Sein Sohn brachte alles organisch in Form, das akustische „Loch“ in der Mitte mancher Titel z.B. gehört der Vergangenheit an – aber alles in respektvollem Umgang mit dem Ausgangsmaterial.
Ich besitze die Original Parlophone Mono- und auch die Stereo-Pressung der „Sgt.Peppers…“ – die Neuauflage stellt klanglich alles in den Schatten. Greifen Sie zu und hoffen Sie mit mir, dass die anderen Beatles-Titel sukzessive folgen werden, wobei ich persönlich gerne auf alles verzichten kann, was vor 1965 auf den Markt kam.
Beatles – Sgt.Peppers lonely hearts club band
Parlophone (Universal) PCS 7027 – Stamper Matrix: A1 und B1
England 2017 - Re-Issue Giles Martin
Während meiner Jahre in den USA habe ich viele Facetten des „American Way of Life“ kennenlernen dürfen. Nüchtern betrachtet wird das amerikanische Volk vom TV erzogen, was bereits ab dem Schulalter für viele Schlüsselkinder eine prägende Rolle spielt. Die gesellschaftlichen Scheuklappen stabilisieren sich durch Berichte von rein lokalen Ereignissen, was keinen Blick über den Tellerrand zulässt. Ein Beispiel von vielen wurde mir von meiner Tochter berichtet, die ein Jahr lang im Epcot-Center des Walt Disney Ressorts in Orlando/Florida in einem der Candy-Shops arbeitete; in diesem Falle in „Deutschland“, einem kleinen Areal, welches das typisch Deutsche suggerieren sollte – so wie viele andere „Länder“ auch, die rund um den künstlichen See drapiert wurden.
Heiße Verkaufsschlager waren Kuckucksuhren aus dem Schwarzwald (falls man diesen in China verorten möchte). Eines Tages fragte doch tatsächlich eine Besucherin, ob es die deutsche Flagge auch in anderen Farben gibt und meine schlagfertige Tochter antwortete: „Selbstverständlich – gehen Sie einfach ein paar Schritte weiter nach „Norwegen“, da gibt es die Flagge auch mit mehr roter Farbe“.
Von diesen oft kolportierten, und wirklich allgegenwärtigen Oberflächlichkeiten, die sich durch alle Gesellschaftsschichten ziehen abgesehen, gibt es unzählige Subkulturen, die zumindest eine Weile lang auf mich eine gewisse Anziehungskraft ausübten. Das reichte von ausufernden Barbecues mit Rednecks zu Musik von Steppenwolf und ähnlichen Kalibern, oder das ganz harte Zeugs bei Unmengen von schlechtem Bier inmitten von Harley Davidson’s über seltsam geschliffene Cocktail-Partys und Protzempfängen der Superreichen, bis hin zu authentischen Locations, die mit wahrhaftem Ernst die Fifties in die Neuzeit holten.
Da waren sie, die Frauen in Petticoats und Männer mit stilechtem Depper Dan in den Haaren - in einer Kulisse aus alten Cadillacs und dem pastellfarbenen Mobiliar. Ich kam mir eher vor wie ein Außerirdischer, genoss es aber umso mehr. In Gesprächen erfuhr ich, dass diese Menschen ihr Faible regelrecht lebten – so wie man hierzulande oft Gruppen von Leuten trifft, die sehr gerne im Mittelalter gelebt hätten und sich auch so kleiden und geben. Es sagt schon eine Menge über unsere moderne Gesellschaft mit all ihren Youtube- und Instagram-Auswüchsen aus, wenn solch vermeintlich anachronistische Lebensstile gepflegt werden. Vielleicht hat auch das Sammeln alter Vinylscheiben ein wenig von diesem Credo.
Natürlich gehört in eine Fifties-Location auch die entsprechende Musik. Die US-Normfamilien in den geklonten Häusern der Vorstädte sind für mich die „Dear Mr.Sandman“-Fraktion, das Gegenstück sind jene, die sich „Rock’n Roller“ nennen. Für mich bleiben viele Songs aus dieser Zeit den gewissen Kick schuldig, wenn man nicht zu den ganz Tanzwütigen gehört. „Rock around the clock“ ist für mich im übertragenen Sinne so etwas wie das Aushängeschild der Schlagerparade.
Auch etliche Sachen von Elvis Presley sind mit gutem Willen gerade noch Mainstream. Es gibt aber auch Schnulzen, die einfach schön sind und es gibt leider Schnulzen die nur nerven. Es mag sein, dass ein jeweiliges Empfinden mit persönlichen Erfahrungen verknüpft ist – wenn man die aber mal ausblendet und auf die Substanz schaut, ergeben sich zwangsläufig andere Blickwinkel. Selbst mittelmäßiges Ausgangsmaterial kann von einem Künstler so dargeboten werden, dass er Aufmerksamkeit erfährt. Dieses schwer zu beschreibende „Besondere“ in einer Stimme oder einem Arrangement ist es, was Musik so spannend macht.
Ich bin auch felsenfest davon überzeugt, dass beispielsweise eine Adele oder eine Whitney Houston den Titel „La Paloma“ von Freddy Quinn in andere Sphären hätten katapultieren können.
Einer, der Schnulzen und Rock’n Roll fast in Perfektion beherrschte, war Buddy Holly. Dieser junge Mann hatte das gewisse Etwas und Gitarre spielen konnte er obendrein. Nicht etwa virtuos, sondern eher beseelt. Natürlich finde ich nicht alles gut, was er jemals fabrizierte, aber insgesamt betrachtet war er ein ganz Großer der Zunft.
Klangtechnisch ist die hier vorgestellte LP eine der Mono-Scheiben für die Ewigkeit. Es bedarf noch nicht einmal eines guten Mono-Tonabnehmers um zu hören wie dynamisch und saftig etliche der Songs klingen (ich habe meine Mono-LP’s eine Weile lang auf einem Well Tempered Plattenspieler mit Ortofon Cadenza Mono-MC gehört. Dieses Equipment musste dann aber wegen Platzproblemen weichen und ich habe es nicht bereut). Ein Stereo-Tonabnehmer mit elliptischem Schliff geht genauso gut und der Shibatta-Schliff steht dem in nichts nach. Alleine der Opener „Raining in my heart“ offenbart so viel an Klangfarben, die bei vielen Stereo-LP’s einfach nicht da sind. Auch die Stimme dieses Ausnahmekünstlers geht unter die Haut. „Bye, bye Miss American Pie“ von Don McLean beschäftigt sich mit dem tragischen Unfalltod Holly’s (es gibt auch eine mehr oder minder gruselige Version von Madonna). Die Coral-Mono-LP ist meist billig zu haben – greifen Sie unbedingt zu!
The Buddy Holly Story
Coral LVA 9105 MONO
England 1959